Frank Nārada Ziesing
Der Titel des vorliegenden Text lautet in alten Manuskripten Avadhūtānubhūti, also "Erfahrung desjenigen, der alles abgeschüttelt hat". Es ist ein Dialog zwischen einem Guru und seinem Schüler. Im Lauf der Manuskriptüberlieferung hat ein Kopist dem Guru den Namen Ashṭāvakra und dem Schüler den Namen Janaka gegeben. Dadurch wurde der Text als Ashṭāvakra-Gītā bekannt.
Unsere Version hat weder diese Namen übernommen, noch die in alten Manuskripten nicht vorhandenen vier Anfangsverse. Unser Vers 1.1 entspricht daher Vers 1.5 in den üblichen gedruckten Ausgaben.
Autor und Entstehungszeit sind unbekannt, der Text könnte aus dem 14. Jahrhundert stammen, wo ähnliche Advaita-Texte entstanden.
Der Text beschreibt die radikale Erfahrung der Nichtzweiheit. Schon Śrī Rāmakrishna (1836-86) forderte seinem Schüler Vivekānanda auf, ihn zu studieren, um sich diese letztendliche Wahrheit zu verinnerlichen.
gurur uvāca |
na tvaṃ viprādiko varṇo
nāśramī nākṣa-gocaraḥ |
asaṅgo 'si nirākāro
viśva-sākṣī sukhī bhava || 1.1 ||
Der Lehrer sprach:
Du bist weder Brahmane noch von anderem Stand, ohne Lebensabschnitt, nicht Objekt sinnlicher Wahrnehmung, an nichts haftend, gestaltlos und Zuschauer von allem. Sei glücklich!
guruḥ nom sg m der Lehrer uvāca 3 sg perfekt sprach na nicht tvam du vipra- Brahmana ādikaḥ nom sg m beginnend mit, der und die folgenden, etc. varṇaḥ nom sg m Farbe, Kaste na nicht āśramī nom sg m sich in irgendeinem Stadium des religiöse Leben befindend na nicht akṣa- Achse, Sinnesorgan go-caraḥ nom m sg Tummelplatz, Bereich viśva- alles sākṣī nom sg m Zuschauer, Zeuge sukhī nom sg m glücklich bhava 2 sg imperativ sei
dharmādharmau sukhaṃ duḥkhaṃ
mānasāni na te vibho |
na kartāsi na bhoktāsi
mukta evāsi sarvadā || 1.2 ||
Richtig und falsch, Freude und Leid, entspringen dem Denken, nicht dir, du Mächtiger. Weder Handelnder noch Genießer bist du, befreit bist du nämlich immer.
dharma- pflichtgemäß adharmau nom dual m Unrecht sukham nom sg n Glück duḥkham nom sg n Unglück mānasāni nom pl n dem Denken angehörend, dem Sinn entsprungen na nicht te sg gen dein vibho vok sg m o Herr, o Tüchtiger, o Mächtiger na nicht kartā nom sg m Handelnder asi 2 sg präs bist na nicht bhoktā nom sg m Genießender muktaḥ ppp nom m sg befreit eva wahlich asi 2 sg präs bist sarvadā allezeit, stets
eko draṣṭāsi sarvasya
mukta-prāyo 'si sarvadā |
ayam eva hi te bandho
draṣṭāraṃ paśyasītaram || 1.3 ||
Der eine Sehende von allem bist du, befreit bist du eigentlich immer. Das allerdings ist deine Fessel, dass du den Sehenden als anderen betrachtest.
ekaḥ nom m sg der eine, einzige draṣṭā nom m sg der Sehende asi 3 sg präs du bist sarvasya gen sg von allem mukta- ppp befreit prāyaḥ nom m sg so zu sagen, im Wesentlichen, beinahe asi du bist sarvadā adv immer, allzeit, stets ayam nom m sg dieser eva wahrlich hi denn, nämlich te gen sg deine bandhaḥ nom m sg Fessel draṣṭāraṃ akk sg m den Sehenden paśyasi 2 sg präs du siehst itaram akk m sg einen anderen
ahaṃ kartety ahaṃ-māna-
-mahā-kṛṣṇāhi-daṃśitaḥ |
nāhaṃ karteti vi-śvāsā-
-mṛtaṃ pītvā sukhī bhava || 1.4 ||
Du bist gebissen von der großen Kobra des Ich-Wahns „Ich bin der Handelnde“. Trinke den Nektar des Vertrauens „Ich bin nicht der Handelnde“ und sei glücklich.
aham ich kartā nom m sg der Handelnde iti also aham- ich māna- Stolz mahā- groß kṛṣṇa-ahi- schwarze Schlange, Kobra daṃśitaḥ ppp nom m sg gebissen na nicht aham ich kartā nom m sg der Handelnde iti also vi-śvāsa- Vertrauen amṛtam nom n sg Nektar pītvā absolutiv getrunken habend sukhī nom m sg glücklich bhava 2 sg imperativ sei
eko viśuddha-bodho 'ham
iti niścaya-vahninā |
prajvālyājñāna-gahanaṃ
vīta-śokaḥ sukhī bhava || 1.5 ||
„Ich bin das eine völlig reine Wachsein“, mit dem Feuer dieser Überzeugung verbrenne das Dickicht der Unwissenheit, und frei von Kummer, sei glücklich!
ekaḥ nom m sg der eine, einzigartige viśuddha- ppp vollkommen geläutert/rein bodhaḥ nom m sg Erwachen, Erkenntnis, Einsicht aham ich iti also niścaya- Überzeugung, Gewissheit vahninā inst m sg mit dem Feuer prajvālya- part fut pass zu verbrennen ajñāna- Unwissenheit gahanam nom n sg Abgrund, Tiefe, Dickicht vīta- ppp verschwunden, gewichen śokaḥ nom m sg Qual, Schmerz, Kummer sukhī nom m sg glücklich bhava 2 sg präs sei
yatra viśvam idaṃ bhāti
kalpitaṃ rajju-sarpavat |
ānanda-paramānandaḥ
sa bodhas tvaṃ sukhaṃ cara || 1.6 ||
Worin dieses All erscheint, von der Phantasie erschaffen wie eine Schlange wo nur ein Seil ist, – Glückseligkeit der höchaten Glückseligkeit, dieses Wachsein bist du. Wandle glücklich dahin.
yatra wo, bei selcher Gelegenheit viśvam nom n sg alles, das All idam nom n sg dieses bhāti 3 sg präs erscheint, zum Vorscheint kommt, glänzt, sich offenbart √bhā kalpitam kaus ppp nom n sg in der Fantasie gebildet rajju- Strick, Seil sarpa- Schlange -vat adv wie, in der Weise von ānanda- Glückseligkeit paramānandaḥ nom m sg hochste Glückseligkeit sah dieser, der nom m sg tat bodhaḥ nom m sg Erwachen, Erkenntnis, Einsicht tvam du sukham adv glücklich cara 2 sg imperativ wandere, verhalte dich
muktābhimānī mukto hi
baddho baddhābhimāny api |
kiṃvadantīha satyeyaṃ
yā matiḥ sā gatir bhavet || 1.7 ||
Wer überzeugt ist, frei zu sein, der ist frei, wer überzeugt ist, gebunden zu sein, ist auch gebunden. Hier stimmt das Sprichwort: „Wie der Gedanke, so wird wohl der Schicksalsgang.“
mukta- ppp befreit abhimānī nom m sg eingebildet, sich haltend für muktaḥ ppp nom m sg befreit hi adv ja, nämlich baddhaḥ ppp nom m sg gebunden baddha- gebunden abhimānī nom m sg eingebildet, sich haltend für api adv auch kiṃvadantī nom f sg Sprichwort iha adv hier, im diesem Fall, auf Erden satyā nom f sg wahr iyam nom f sg diese yā nom f sg jene, welche matiḥ nom f sg Gedanke, Denkweise, Überzeugung sā nom f sg diese gatiḥ nom f sg Gang, Fortgang, Verlauf bhavet 3 sg optativ es möge werden
ātmā sākṣī vibhuḥ pūrṇa
eko muktaś cid akriyaḥ |
asaṅgo niḥspṛhaḥ śānto
bhramāt saṃsāravān iva || 1.8 ||
Das Selbst ist der Zuschauer, allgegenwärtig, vollkommen, einzig in seiner Art, befreit, reines Bewusstsein, tatenlos, an nichts haftend, wunschlos, friedvoll, irrtümlich als ob den Armseligkeiten des weltlichen Daseins unterworfen.
ātmā nom m sg das Selbst sākṣī nom m sg Zeuge, Zuschauer vibhuḥ nom m sg alldurchdringend, überall gegenwärtig pūrṇaḥ ppp nom m sg vollkommen ekaḥ nom m sg eins, einzigartig muktaḥ pppnom m sg befreit cit nom f sg reines Bewusstsein akriyaḥ nom m sg tatenlos asaṅgaḥ nom m sg an nichts haftend niḥspṛhaḥ nom m sg wunschlos śāntaḥ nom m sg friedvoll bhramāt abl m sg durch Irrtum/ Verwirrung/ Wahn saṃsāravān nom m sg den Armseligkeiten des weltlichen Daseins unterworfen iva adv als ob, wie, quasi, sozusagen
kūṭasthaṃ bodham advaitam
ātmānaṃ paribhāvaya |
ābhāso 'haṃ bhramaṃ muktvā
bhāvaṃ bāhyam athāntaram || 1.9 ||
Erkenne dein wahres Selbst als die höchste Stelle einnehmend, als Wachsein ohne Zweites. Befreie dich vom Irrtum äußerer und innerer Selbstidentifikation, ein bloßer Schein ist das Ich.
kūṭa- Spitze, das Vornehmste, erste unter stham akk m sg stehend bodham akk m sg Wachheit advaitam akk m sg ohne Zweites ātmānam akk m sg den Ātman, das Selbst paribhāvaya kaus 2 sg imperativ erkenne als, bedenke ābhāsaḥ nom m sg bloßer Schein, Trugbild aham nom sg ich bhramam akk m sg Schwindel, Irrtum, Verwirrung, Wahn muktvā absolutiv nachdem erlöst, befreit habend von bhāvam akk m sg Existenz, Dasein, Zustand, Gemütszustand, Selbstidentifikation bāhyam akk m sg außen befindlich atha adv alsdann, darauf, sodann, ferner antaram akk m sg im Innern befindlich
dehābhimāna-pāśena
ciraṃ baddho 'si putraka |
bodho 'haṃ jñāna-khaḍgena
taṃ niṣkṛtya sukhī bhava || 1.10 ||
Von der Schlinge der Überzeugung, der Körper zu sein, bist du seit langen gefesselt, mein Kind. Nachdem du sie mit dem Erkenntnis-Schwert „Ich bin Wachsein“ vernichtet hast, fühle dich wohl.
deha- Körper abhimāna- Selbstgefühl pāśena inst m sg von der Schlinge ciram adv lange Zeit baddhaḥ ppp nom m sg gefesselt, gebunden asi 2 sg präs du bist putraka Vok Söhnchen bodhaḥ nom m sg Wachsein aham nom sg ich jñāna- Erkenntnis khaḍgena inst m sg mit dem Schwert, Degen tam akk n sg den [bezieht sich auf pāśa, Schlinge] niṣkṛtya absolutiv weg gemacht, vertrieben sukhī nom m sg sich wohl befindend, froh, glücklich bhava 2 sg imperativ sei, werde
niḥsaṅgo niṣkriyo 'si tvaṃ
sva-prakāśo nirañjanaḥ |
ayam eva hi te bandhaḥ
samādhim anutiṣṭhasi || 1.11 ||
Du bist ohne Anhaftung, ohne Taten, aus dir selbst heraus offenbar, ungeschmückt. Das allerdings ist deine Fessel, dass du Samādhi nachgehst.
niḥsaṅgaḥ nom m sg ohne Anhaftung niṣkriyaḥ nom m sg ohne Taten asi 2 sg präs bist tvam nom sg du sva-prakāśaḥ no m sg durch sich selbst offenbar, durch sich selbst klar nirañjanaḥ nom m sg ohne Schminke, ohne Falsch, lauter, unbeflekt ayam nom m sg dieser eva adv in der Tat hi adv wahrlich, ja te gen sg deine bandhaḥ nom m sg Fessel samādhim akk m sg Samādhi anutiṣṭhasi 2 sg präs nachgehst, folgst, dich richtest nach, ausrichtest auf, nachahmst, dich hingibst
tvayā vyāptam idaṃ viśvaṃ
tvayi protaṃ yathārthataḥ |
śuddha-buddha-svarūpas tvaṃ,
mā gamaḥ kṣudra-cittatām || 1.12 ||
Von dir ist dieses All durchdrungen. In dich ist es in Wahrheit eingewebt. Reines Erwachen ist deine eigentliche Natur, verfalle nicht in kleinliche Denkweise.
tvayā inst sg von dir vyāptam ppp nom sg durchdrungen, erfüllt, angefüllt idaṃ nom sg n dieses viśvam nom sg n all, alles tvayi lok sg in dir protam ppp nom shn gereiht auf, steckend an/in, durchzogen von yathārthataḥ adv der Wahrheit gemäß śuddha- rein buddha- Einsicht svarūpaḥ nom m sg Eigenwesen tvam du mā nicht, auf das nicht gamaḥ 2 sg injunktiv du gehest kṣudra- klein, winzig, gemein, niederträchtig cittatām nom sg f Denkweise
nirapekṣo nirvikāro
nirbharaḥ śītalāśayaḥ |
agādha-buddhir akṣubdho
bhava cin-mātra-vāsanaḥ || 1.13 ||
Ohne auf etwas zu lauern, ohne Veränderung des Gemützustands, frei von aller Last, im Herzen unberührt von dieser Welt, von unergründlich tiefer Einsicht, unaufregbar, so hege nur nach reinem Bewusstsein Verlangen.
nis- ohne apekṣaḥ nom sg m sich umsehen, lauern auf etwas, Berücksichtigung, Erwartung nis ohne vikāraḥ nom sg m Umgestaltung, Veränderng nis ohne bharaḥ nom sg m das Tragen, Gewinnen, Bürde, Kampf śītala- kühl, kühlend, kalt, jmd kalt lassend, frei von Leidenschaft āśayaḥ nom m sg Lagerstätte, Herz, Gemüt, Gesinnung a- un gādha- wo man festen Fuss fassen kann buddhiḥ nom sg f Einsicht a- un kṣubdhaḥ ppp nom sg m in Aufregung geraten bhava 2 sg imperativ sei, werde cid- reines Bewusstsein mātra- nur soviel wie dieses Maß vāsanaḥ nom sg m einer der ein Verlangen nach etw hat, an etw denkt
sākāram anṛtaṃ viddhi
nirākāraṃ tu niścalam |
etat-tattvopadeśena
na punar-bhava-sambhavaḥ || 1.14 ||
Begreife die äussere Erscheinung als trügerisch, das Unmanifestierte hingegen als keiner Schwankung unterworfen. Durch Unterweisung in dieser Wahrheit entsteht keine Wiedergeburt mehr.
sa- mit ākāram akk sg m Form, Gestalt anṛtam akk sg m unecht, unwahr, Lüge viddhi 2 sg imperativ wisse nis- ohne ākāram akk sg m Form, Gestalt tu aber nis- ohne calam akk sg m sich bewegend, zitternd etat- diese tattva- wahres Wesen/Natur, Wahrheit upadeśena inst sg m mit der Unterweisung na nicht punar- wieder bhava- Dasein, Geburt sambhavaḥ nom sg m Entstehung
yathaivādarśa-madhya-sthe
rūpe 'ntaḥ paritas tu saḥ |
tathaivāsmin śarīre 'ntaḥ
paritaḥ parameśvaraḥ || 1.15 ||
Wie bei einer Gestalt im Spiegel, diese innerhalb aber auch außerhalb ist, so ist in diesem Körper innerhalb und außerhalb der höchste Gebieter.
yathā ebenso eva wahrlich ādarśa- Spiegel madhya- inmitten sthe lok m sg im befindlichen/stehenden rūpe lok sg n in der Form, Gestalt antar adv innerhalb paritas ringsum tu doch, ja, nämlich saḥ nom sg m er, der tathā so eva wahrlich asmin lok sg m in diesem śarīre lok sg m im Körper antar adv innerhalb paritas adv ringsum, von allen Seiten parama- höchster iśvaraḥ nom m sg Gebieter
ekaṃ sarva-gataṃ vyoma
bahir antar yathā ghaṭe |
nityaṃ nirantaraṃ brahma
sarva-bhūta-gaṇe tathā || 1.16 ||
Wie der eine alldurchdringende Raum außerhalb und innerhalb eines Kruges ist, so ist das ewige unterbrechungslose Brahman in der Schar aller Wesen.
ekam nom n sg das eine sarva- alles gatam ppp nom n sg gegangen vyoma nom n sg Himmelsraum, Luftraum bahis adv außerhalb von antar adv innen, innerhalb yathā gleichwie ghaṭe lok m sg in einem Krug (zum Waaserschöpfen) nityam adv stets nis-ohne antaram nom n sg Zwischenraum brahma nom n sg Brahman sarva- alle bhūta- Wesen gaṇe lok m sg in der Schaar tathā adv auf diese Weise
śiṣya uvāca |
aho nirañjanaḥ śānto
bodho 'haṃ prakṛteḥ paraḥ |
etāvantam ahaṃ kālaṃ
mohenaiva viḍambitaḥ || 2.1 ||
Der Schüler sprach:
Oh, ungeschmückt, voller Frieden, reines Wachsein bin ich und jenseits der Materie. So lange Zeit wurde ich durch Verblendung zum Narren gehalten.
śiṣyaḥ nom sg m der Schüler uvāca 3 sg perfekt sprach aho oh nirañjanaḥ nom m sg ohne Schmincke, ohne Trübung, lauter śāntaḥ ppp nom sg m beruhigt, zur innern Ruhe gelangt, frei von aller Leidenschaft bodhaḥ nom m sg Erwachen, Wachsein aham ich prakṛteḥ gen sg f von der Prakṛti paraḥ jenseits etāvantam akk sg m so groß, so viel, von solchem Umfang aham ich kālam die Zeit, der richtige Zeitpunkt mohena inst m sg durch Verblendung eva adv wahrlich viḍambitaḥ ppp nom m sg verspottet, verhöhnt, lächerlich gemacht, zum Narren gehalten, getäuscht, hintergangen
yathā prakāśayāmy eko
deham enaṃ tathā jagat |
ato mama jagat sarvam
athavā na ca kiṃcana || 2.2 ||
Wie ich allein diesen Körper erscheinen lasse, so die Welt. Deshalb gehört mir die ganze Welt oder auch gar nichts.
yathā wie, weil prakāśayāmi 1 sg präs kaus ich mache sichtbar, lasse erscheinen ekaḥ nom m sg als der eine, einzige deham den Körper enaṃ akk sg m den, jenen tathā so, auf diese Weise jagat nom m sg Welt, Menschen ataḥ daher mama mein jagat nom m sg Welt sarvam alles, ganz atha-vā adv oder auch na ca und nicht kiṃ-cana was auch immer
saśarīram aho viśvaṃ
parityajya mayādhunā |
kutaścit kauśalād eva
paramātmā vilokyate || 2.3 ||
Oh, jetzt, da ich die Welt zusammen mit dem Körper losgelassen habe, wird durch irgendein Glück das höchste Selbst sichtbar.
sa-śarīram adv samt des Körpers aho adv oh viśvam akk sg n alles, das All pari-tyajya absolutiv im Stich gelassen/entsagt/abgelegt/losgelassen habend mayā inst sg von mir adhunā adv jetzt kutaścit adv von irgendwo her kauśalāt abl n sg durch glückliches Wohlergehen eva wahrlich parama- höchst ātmā m nom sg Selbst vilokyate 3 sg pass kaus präs wird sichtbar/ offenbar
yathā na toyato bhinnās
taraṃgāḥ phena-budbudāḥ |
ātmano na tathā bhinnaṃ
viśvam ātma-vinirgatam || 2.4 ||
Wie Wellen, Gischt und Wasserblasen nicht von der Art und Weise des Wasser getrennt sind, so ist die aus mir hervorgegangene Welt nicht von mir getrennt.
yathā wie na nicht toyatas adv Art und Weise des Wassers bhinnāḥ ppp nom m pl verschieden von sein, getrennt taraṃgāḥ nom m mpl Wellen phena- Schaum budbudāḥ nom m pl Wasserblasen ātmanaḥ abl m sg aus/ von dem Selbst na nicht tathā so bhinnam ppp nom n sg verschieden viśvam nom n sg das All ātma- selbst vi-nir-gatam ppp nom n sg hervorgegangen aus
tantu-mātro bhaved eva
paṭo yadvad vicāritaḥ |
ātma-tanmātram evedaṃ
tadvad viśvaṃ vicāritam || 2.5 ||
Wie ein Gewebe bei genauer Prüfung eben nichts anderes als Fäden ist, so ist diese Welt bei genauer Prüfung nichts anderes als mein Selbst.
tantu- Faden mātraḥ nom m sg nichts als bhaved 3 sg optativ es sei eva wahrlich paṭaḥ nom m sg Gewebe, Gewand yadvat adv wie vicāritaḥ nom m sg geprüft ātma- Selbst tat dessen das, jenes mātram nom n sg Maß, nicht mehr als eva wahrlich idam nom n sg dieses tadvad adv so viśvam nom sgn das All vicāritam ppp kaus nom n sg gegeneinander abgewägt, in Betracht gezogen, geprüft
yathaivekṣu-rase kḷptā
tena vyāptaiva śarkarā |
tathā viśvaṃ mayi kḷptaṃ
mayā vyāptaṃ nirantaram || 2.6 ||
Wie Zucker, der im Zuckerrohrsaft entstanden ist, von diesem durchdrungen ist, so ist in mir das Weltall entstanden und von mir ganz und gar durchdrungen.
yathā wie eva wahrlich ikṣu- Zuckerrohr rase lok m sg im Saft kḷptā ppp nom mf sg entsprechend, gelungen, hervorgebracht, vorhanden seiend tena inst ag von ihm vyāptā ppp nom f sg durchdrungen, erfüllt eva wahrlich śarkarā nom f sg der Kristallzucker tathā so viśvam nom n sg das All mayi lok sg in mir kḷptam ppp nom n sg hervorgebracht mayā inst sg von mir vyāptam ppp nom n sg durchdrungen, erfüllt nirantaram nom n sg durch keinen Zwischenraum getrennt, nirgends unterbrochen
ātmājñānāj jagad bhāti
ātma-jñānān na bhāsate |
rajjv-ajñānād ahir bhāti
taj-jñānād bhāsate na hi || 2.7 ||
Durch Unkenntnis des Selbstes erscheint die Welt, bei Erkenntnis des Selbstes erscheint sie nicht. Eine Schlange erscheint durch Unwissenheit dass es ein Seil ist. Beim Wissen darvon erscheint sie allerdings nicht.
ātma- das Selbst ajñānāt abl n sg durch Unkenntnis jagat nom m sg die Welt bhāti 3 sg präs erscheint, zum Vorschein kommt, sich zeigt ātma- Selbst jñānāt abl sg n durch Erkenntnis na nicht bhāsate 3 sg präs ātm erscheint rajjv- Seil ajñānāt abl sg n durch Unwissenheit ahiḥ nom sg m die Schlange, Natter bhāti 3 sg präs erscheint tat- dessen jñānāt abl n sg durch Erkenntnis bhāsate 3 sg präs ātm erscheint na nicht hi ja, nämlich
prakāśo me nijaṃ rūpaṃ
nātirikto 'smy ahaṃ tataḥ |
yadā prakāśate viśvaṃ
tadāhaṃ bhāsa eva hi || 2.8 ||
Licht ist mein innewohnendes Wesen. ich bin nicht davon verschieden. Wenn das Weltall erscheint, dann bin ich es, der leuchtet.
prakāśaḥ nom m sg Licht me gen sg mein nijam nom n sg eigen, eingeboren, innewohnend rūpam nom n sg Wesen, Gestalt na nicht ati-riktaḥ ppp nom m sg verschieden von. asmi 1 sg präs bin aham ich tatas adv von da aus, an der Stelle, dort, darauf, dann yadā wenn prakāśate 3 sg ātm präs sich zeigt. sichtbar wird viśvam no n sg alles, das All tadā dann aham ich bhāse/bhāsaḥ (es gibt 2 Möglichkeiten, die Wohlklangregel aufzulösen) nom m sg –oder– 1 sg präs ātm Licht –oder– ich leuchte eva wahrlich hi nämlich, ja
aho vikalpitaṃ viśvam
ajñānān mayi bhāsate |
rūpyaṃ śuktau phaṇī rajjau
vāri sūryakare yathā || 2.9 ||
Oh, das eingebildete Weltall erscheint in mir durch Unwissenheit, wie [scheinbares] Silber im Perlmutt, wie eine Schlange im Seil, wie Wasser in einer Luftspiegelung.
aho das falsch vorgestelle, eingebildete, in der Einbildung geformt oh vikalpitam viśvam nom n sg das All,das Weltall ajñānāt abl, sg n durch Unwissenheit mayi loj sg in mir bhāsate 3 sg präs leuchtet rūpyam nom n sg Silber śuktau lok f sg im Perlmutt phaṇī nom m sg Schlange rajjau lok f sg im Seil vāri nom n sg Wasser sūryakare lok m sg in einem Sonnenstrahl yathā wie
matto vinirgataṃ viśvaṃ
mayy eva layam eṣyati |
mṛdi kumbho jale vīciḥ
kanake kaṭakaṃ yathā || 2.10 ||
Aus mir hervorgegangen ist das All, auflösen wird es sich in mich allein, wie ein Tonkrug in Tonerde, eine Welle im Wasser, ein Armreif im Gold.
mattaḥ abl sg von mir, aus mir vinirgatam ppp nom n sg hervorgegangen viśvam nom n sg das All mayi lok sg in mir eva wahrlich layam akk m sg das Verschwinden, Eingehen eṣyati 33 sg fut es wird gehen, fließen, kommen mṛdi lok f sg in Lehm, Tonerde kumbhaḥ nom m sg Krug jale lok sg n im Wasser vīciḥ nom f sg die Welle kanake lok m sg im Gold kaṭakam nom n sg Armreif yathā adv wie
aho ahaṃ namo mahyaṃ,
vināśo yasya nāsti me |
brahmādi-stamba-paryantaṃ
jagannāśe 'pi tiṣṭhataḥ || 2.11 ||
Wundervoll bin ich, Verneigung mir, für den es keine Vernichtung gibt, der bleibt, auch wenn die Welt vergeht, angefangen vom Schöpfer bis hin zum Grasbüschel.
aho interj oh!, Wundervoll! aham ich namas nom n sg Verneigung mahyam dat sg vor mir vināśaḥ nom m sg Verschwinden, Vernichtung yasya gen sg dessen, von dem na nicht asti 3 sg präs es ist me gen sg mein, für mich brahma- nom m sg der Schöpfergott Brahmā ādi- angefangen mit, usw. stamba- Grasbüschel paryantam adv bis zum Ende von jagat- die Welt nāśe lok m sg beim Zugrundegehen, Untergang api adv auch, sogar tiṣṭhataḥ gen sg m part präs des bestehen bleibenden (bezieht sich auf "me")
aho ahaṃ namo mahyaṃ
eko 'haṃ dehavān api |
kvacin na gantā nāgantā
vyāpya viśvam avasthitaḥ || 2.12 ||
Wundervoll bin ich, Verneigung mir, der ich selbst wenn verkörpert der Eine bin, der nirgendwo hin geht, nirgendwo her kommt, dessen Dasein das Weltall durchdringt.
aho interj oh!, Wundervoll! aham ich namas nom n sg Verneigung mahyam dat sg vor mir ekaḥ nom m sg der eine, einzige, einzigartige, einmalige aham nom sg ich dehavān nom m sg verkörpert api sogar kvacit wohin auch immer na nicht gantā nom sg m der hin geht na nicht āgantā der her kommt vyāpya absolutiv durchdrungen viśvam akk n sg alles, das All avasthitaḥ ppp nom m sg seinen Stand habend, verbleibend, feststehend
aho ahaṃ namo mahyaṃ
dakṣo nāstīha mat-samaḥ |
asaṃspṛśya śarīreṇa
yena viśvaṃ ciraṃ dhṛtam || 2.13 ||
Wundervoll bin ich, Verneigung mir, nichts in dieser Welt ist an Fähigkeit mir gleich, da ich ohne körperliche Berührung seit jeher das Weltall trage.
aho interj oh!, Wundervoll! aham ich namas nom n sg Verneigung mahyam dat sg vor mir dakṣaḥ nom m sg geschckt, Fähigkeit na nicht asti 3 sg präs ist iha hier, in dieser Welt mat-samaḥ nom m sg mir gleich asaṃspṛśya absolutiv ohne zu berühren śarīreṇa inst m sg mit dem Körper yena inst sg von dem viśvam nom n sg alles, das All ciram adv lange dhṛtam ppp nom n sg getragen
aho ahaṃ namo mahyaṃ
yasya me nāsti kiṃcana |
athavā yasya me sarvaṃ
yad vāṅ-manasa-gocaram || 2.14 ||
Wundervoll bin ich, Verneigung mir, dem nichts gehört oder alles, was im Bereich von Sprache und Denken liegt.
aho interj oh!, Wundervoll! aham ich namas nom n sg Verneigung mahyam dat sg vor mir yasya gen sg wessen me gen/dat sg mein, für mich na nicht asti 3 sg präs ist kiṃcana adv was auch immmer athavā adv oder yasya gen sg wessen me gen/dat sg mein, für mich sarvam nom n sg alles yat nom n sg was vāk- Sprache manasa- Denken gocaram nom n sg Bereich, Gebiet (bezieht sich auf sarvam)
jñānaṃ jñeyaṃ tathā jñātā
tritayaṃ nāsti vāstavam |
ajñānād bhāti yatredaṃ
so 'ham asmi nirañjanaḥ || 2.15 ||
Erkennen, Erkennenbares sowie der Erkenner, diese Dreiheit gibt es in Wirklichkeit nicht. Wo sie durch Unwissenheit erscheint, da bin nur ich, und weiter nichts.
jñānam nom n sg Erkenntnis jñeyaṃ nom n sg das zu Erkennende tathā so auch jñātā nom m sg der Erkennende tritayam nom n sg Dreizahl na nicht asti 3 sg präs ist vāstavam nom n sg wirklich, wahr,real ajñānāt abl sg n durch Unwissen bhāti 3 sg präs scheint yatra wo idam nom n sg dies saḥ nom m sg derjenige welcher aham ich asmi √as bin 1 sg präs nirañjanaḥ nom m sg ungeschminkt, ohne Zusatz, makellos
dvaita-mūlam aho duḥkhaṃ
nānyat tasyāsti bheṣajam |
dṛśyam etan mṛṣā sarvaṃ
eko 'haṃ cid-raso 'malaḥ || 2.16 ||
Zweiheit ist die Wurzel, o Wunder, für Leid. Dafür gibt es kein anderes Heilmittel als das: Was sichtbar ist, das ist alles trügerisch – ich bin das Eine, Reine, die Essenz des Bewusstseins.
dvaita- Zweiheit mūlam nom n sg Wurzel aho oh, wie wundervoll duḥkham nom n sg Leid na nicht anyat abl sg anders als tasya gen sg dessen asti 3 sg präs ist bheṣajam nom n sg Heilmittel, Arznei dṛśyam nom n sg das Sichtbare etat nom n sg dieses mṛṣā adv fruchlos, umsonst, falsch, irrig, falsch sarvam nom n sg alles ekaḥ der eine, einzige, einzigartige ahaṃ ich cit- reines Bewusstsein rasaḥ nom m sg, Saft, Geschmack, das Beste amalaḥ nom m sg makellos
bodha-mātro 'ham ajñānād
upādhiḥ kalpito mayā |
evaṃ vimṛśato nityaṃ
nirvikalpe sthitir mama || 2.17 ||
Nichts als Wachheit bin ich, aus Unwissenheit habe ich mir scheinbare Eigenschaften eingebildet. Indem ich das stets im Geist aufrecht erhalte, ist mein Stand jenseits der Dualität.
bodha- Wachheit mātraḥ nom m sg nichts als aham ich ajñānāt abl n sg durch Unwissenheit upādhiḥ nom m sg Beilegung, Stellvertretung, Überlagerung, Schein kalpitaḥ nom m sg vorgestellt, eingebildet mayā inst sg von mir evam adv auf diese Weise vi-mṛśatas adv in der Art und Weise von Prüfung, Überlegung nityam adv ständig nirvikalpe lok m sg jenseitz der Subjetk-Objekt-Trennung sthitiḥ nom f sg. der Stand, Rang, Würde mama gen sg mein
na me bandho 'sti mokṣo vā
bhrāntiḥ śāntā nirāśrayā |
aho mayi sthitaṃ viśvaṃ
vastuto na mayi sthitam || 2.18 ||
Weder gefesselt bin ich noch frei, der haltlose Wahn ist zur Ruhe gekommen. O Wunder, in mir besteht das Weltall, in mir besteht es eigentlich nicht.
na nicht me mein bandhaḥ nom m sg Bindung, Fessel asti 3 sg präs ist mokṣaḥ nom m sg Befreiung vā oder bhrāntiḥ nom f sg Verwirrung, Wahn, Irrtum śāntā ppp f nom sg erloschen, zur Ruhe gekommen nirāśrayā nom f sg keinen Halt habend, keine Stütze habend aho oh Wunderbar mayi lok sg in mir sthitam ppp nom n sg besteht, befindet sich viśvam nom n sg alles, das All vastutas adv in Wirklichkeit, in Bezug auf die Dinge na nicht mayi lok sg in mir sthitam ppp nom n sg besteht, befindet sich
sa-śarīram idaṃ viśvaṃ
na kiṃcid iti niścitam |
śuddha-cin-mātra ātmā ca
tat kasmin kalpanādhunā || 2.19 ||
In der Gewissheit, dass samt meines Körpers diese Welt ein Nichts ist, und dass mein Selbst ausschließlich reines Bewusstsein ist, woher jetzt noch der Gedanke an etwas Eingebildetes?
sa-śarīram adv samt des Körpers idam nom n sg dieses viśvam nom n sg alles, All na nicht kiṃcit was auch immer iti also niścitam ppp nom n sg eine feste Meinung über Etwas gebildet habend, Gewissheit erlangt habend śuddha- ppp nom n sg rein, gereinigt cit- reines Bewusstsein mātraḥ nom m sg nichts als ātmā nom m sg das Selbst ca und tat nom n sg das kasmin lok woher kalpanā nom f sg Gedanke an nicht Existierendes adhunā adv jetzt
śarīraṃ svarga-narakau
bandha-mokṣau bhayaṃ tathā |
kalpanā-mātram evaitat
kiṃ me kāryaṃ cidātmanaḥ || 2.20 ||
Körper, Himmel und Hölle, Bindung und Befreiung und auch Angst, dies ist in der Tat nichts als Einbildung. Was habe ich damit zu tun, dessen Selbst reines Bewusstsein ist?
śarīram nom n sg Körper svarga- Himmel narakau nom dual m Hölle bandha- Fesselung, Gefangenschaft mokṣau nom dual m Befreiung bhayam nom n sg Furcht, Angst tathā adv so auch, desgleichen kalpanā- Fiktion, Annahme von etwas in Wirklichkeit nicht Existierendem mātram nom n sg nichts als eva adv wahrlich etat nom n sg dieses kim nom n sg was me gen/dat sg mir, mein kāryam nom n sg zu Tuendes, Aufgabe, Angelegenheit, Vorhaben cit- reines Bewusstsein ātmanaḥ gen m sg des Selbstes, für das Selbst
aho jana-samūhe 'pi
na dvaitaṃ paśyato mama |
araṇyam iva saṃvṛttaṃ
kva ratiṃ karavāṇy aham || 2.21 ||
Oh, sogar in einer Menschenmenge ist für mich keine Zweiheit sichtbar. Es ist wie zu unberührter Natur geworden. Worauf sollte ich noch Lust haben?
aho oh wie Wunderbar! jana- Leute samūhe lok m sg in einem Haufen, einer Menge/Schar api sogar na nicht dvaitam nom n sg Zweiheit paśyataḥ nom m sg sichtbar mama gen sg mein, für mich, von mir araṇyam nom n sg Wildnis, unberührte Natur iva wie, quasi, vergleichbar saṃvṛttam ppp nom n geworden zu kva adv wo? wohin? woran? ratim akk sg f Lust, Gefallen karavāṇi 1 sg imperativ soll/will ich tun aham ich
nāham deho na me deho
jīvo nāham ahaṃ hi cit |
ayam eva hi me bandha
āsīt yā jīvite spṛhā || 2.22 ||
Nicht bin ich der Körper, noch ist der Körper mein, ich bin keine individuelle Seele, denn ich bin reines Bewusstsein. Dies allerdings war meine Fessel: der Durst nach Leben.
na nicht aham ich dehaḥ nom m sg der Körper na nicht me gen sg mein dehaḥ nom m sg der Körper jīvaḥ nom m sg individuelle Seele na nicht aham ich aham ich hi denn, ja, nämlich cit nom f sb reines Bewusstsein ayam nom m sg dieser eva wahrlich hi nämlich me gen sg mein bandhaḥ nom m sg Fessel āsīt 3 sg imperf es war yā nom sg f jene jīvite lok n sg nach Leben spṛhā Durst, Verlangen
aho bhuvana-kallolair
vicitrair drāk samutthitam |
mayy ananta-mahāmbhodhau
citta-vāte samudyate || 2.23 ||
Oh Wunder, wenn in mir, dem unendlich großen Ozean, der Wind gedanklicher Aktivität aufkommt, dann entsteht rasch [die Welt] mit ihren vielfältigen Wellen der Wesen
aho oh wie wunderbar bhuvana- Lebewesen, Weltall kallolair inst m pl durch die Wellen/Wogen vicitrair inst mm pl durch die bunten, verschiedenartigen drāk adv eilig, rasch samutthitam ppp nom n sg zuammen aufgestanden, entstanden, sich erhoben habend mayi lok sg in mir ananta- unendlich mahā- groß ambhodhau lok m sg im Ozean/Meer citta- Denken, Vorstellen, Bemerken vāte lok sg m bei dem Wind sam-udyate ppp lok sg m sich erhoben habend, begonnen habend
mayy ananta-mahāmbhodhau
citta-vāte praśāmyati |
abhāgyāj jīva-vaṇijo
jagat-poto vinaśvaraḥ || 2.24 ||
Wenn in mir, dem unendlich großen Ozean, der Wind gedanklicher Aktivität zur Ruhe kommt, dann geht durch dieses Unglück für den Krämer, der die individuelle Seele ist, das Weltenschiff unter.
mayi lok sg in mir ananta- unendlich maha- groß ambhodhau lok sg m im Ozean citta- gedanklich, Aufmerksamkeit vāte lok sg m im Wind pra-śāmyati ppp lok m sg beim zur Ruhe kommen abhāgyāt abl sg n durch Unglück, Unheil, Scheitern jīva- individuelle Seele vaṇijaḥ gen m sg des Kaufmanns, Krämers jagat- Welt potaḥ nom sg m Schiff, Boot vinaśvaraḥ nom sg m verschwindend, vergänglich, aus den Augen kommend
mayy ananta-mahāmbhodhav
āścaryaṃ jīva-vīcayaḥ |
udyanti ghnanti khelanti
praviśanti svabhāvataḥ || 2.25 ||
O Wunder, in mir, dem unendlich großen Ozean, steigen die Wellen der individuellen Seelen entsprechend ihrer eigenen Natur auf, schlagen aneinander, spielen miteinander und kommen wieder zur Ruhe.
mayi lok sg in mir ananta- unendlich maha- groß ambhodhau lok sg m im Ozean āścaryam interj o Wunder jīva- individuelle Seeke vīcayaḥ nom pl f die Wellen udyanti 3 sg präs steigen auf ghnanti 3 sg präs treffen sich, brechen, schlagen khelanti 3 sg präs wiegen sich, spielen, bewegen sich hin und her praviśanti 3 sg präs kommen zur Ruhe, vergehen, sterben sva-bhāvataḥ adv entsprechend der eigenen Natur, durch sich selbst, aus sich selbst
gurur uvāca |
avināśinam ātmānam
ekaṃ vijñāya tattvataḥ |
tavātma-jñasya dhīrasya
katham arthārjane ratiḥ || 3.1 ||
Der Lehrer sprach:
Nachdem du das unvergängliche eigene Selbst als das einzig Wirkliche erkannt hast, wie könnte dann dir, dem Weisen, dem Kenner des eigenen Selbstes, noch Lust auf das Erlangen von weltlichem Vorteil kommen?
avināśinam akk m sg den unvergänglichen ātmānam akk sg m den Ātman, das Selbst ekam akk m sg den einen vijñāya absolutiv erkannt habend tattvatas adv der Wahrheit gemäß tava gen sg dein ātma- Selbst, eigen jñasya gen sg m des Kenners, Kennenden dhīrasya gen m sg des verständigen, weisen, standhaften katham wie artha- weltlicher Vorteil, Besitz arjane lok n sg im Erlangen, sich Verschaffen ratiḥ nom f sg Lust
ātmājñānād aho prītir
viṣaya-bhrama-gocare |
śukter ajñānato lobho
yathā rajata-vibhrame || 3.2 ||
Durch Unkenntnis des eigenen Selbstes, o Wunder, entsteht die Freude am Herumlungern auf dem Tummelplatz der Sinnesobjekte, so wie bei Unverständnis von Perlmutt die Gier auf sein täuschendes Aussehen von Silber.
ātma- Selbst ajñānāt abl sg n durch Unkenntnis aho o Wunder prītiḥ nom f sg die Freude viṣaya- Sinnenbereich bhrama- Umherstreichen gocare lok sg m auf dem Tummelplatz śukteḥ gen sg f des Perlmutts ajñānatas abl unwissentlich lobhaḥ nom sg m Gier yathā wie rajata- Silber vibhrame lok m sg bei Verwirrung, Irrtum, täuschendem Aussehen
viśvaṃ sphurati yatredaṃ
taraṃgā iva sāgare |
so 'ham asmīti vijñāya,
kiṃ dīna iva dhāvasi || 3.3 ||
Wenn du erkannt hast, dass du es bist, in dem das Weltall funkelnd hervorbricht wie Wellen im Ozean, warum läufst du dann herum wie ein Betrübter?
viśvam nom n sg das Weltall sphurati 3 sg präs funkelt, bricht hervor yatra wo idam nom n sg dieses taraṃgāḥ nom pl m Wogen, Wellen iva wie sāgare lok m sg im Ozean saḥ nom sg dieser aham ich asmi 1 sg präs bin iti also vijñāya absolutiv erkannt habend kim was, warum dīnaḥ nom m sg traurig, niedergeschlagen iva wie dhāvasi 2 sg präs du läufst herum
śrutvāpi śuddha-caitanyam
ātmānam atisundaram |
upasthetyanta-saṃsakto
mālinyam adhigacchati || 3.4 ||
Wer, obwohl er gehört hat, dass das Selbst reines Bewusstsein und überaus schön ist, letztlich doch dem Schoß ergeben ist, der gelangt in Unreinheit.
śrutva absolutiv gehört habend api obwohl śuddha- rein caitanyam nom n sg Bewusstsein ātmānam ātman den Ātman, das Selbst atisundaram akk m sg überaus schön upastha- Schoß ityanta- so endend saṃsaktaḥ ppp nom m sg ergeben an mālinyam akk n sg Trübung, Unreinheit adhigacchati 3 sg präs gelangt zu
sarva-bhūteṣu cātmānaṃ
sarva-bhūtāni cātmani |
muner jānata āścaryaṃ
mamatvam anuvartate || 3.5 ||
O Wunder, sogar den Weisen, der weiß, das sein Selbst in allen Wesen ist und alle Wesen in seinem Selbst, verfolgt die Ichsucht.
sarva- alle bhūteṣu lok pl n in den Wesen ca und ātmānam das Selbst den Ātman sarva- alle,jedes bhūtāni nom pl n die Wesen ca und ātmani lok m sg im Ātman, im Selbst muneḥ gen m sg des Weisen jānataḥ ppräs gen m sg des wissenden āścaryam interj o Wunder mamatvam nom n sg Selbstsucht, Egogefühl, Ichheit anuvartate 3 sg präs hängt sich an
āsthitaḥ paramādvaitaṃ
mokṣārthe 'pi vyavasthitaḥ |
āścaryaṃ kāma-vaśago
vikalaḥ keli-śikṣayā || 3.6 ||
Auch wer seine Zuflucht zum höchsten Advaita genommen hat, fest entschlossen die Befreiung zu erreichen, gerät, oh Wunder, durch die Kunst des Liebesspiels in die Gewalt des Verlangens und das Gefühl, das ihm etwas fehle.
āsthitaḥ ppp no m sg seine Zuflucht genommen habend parama- höchster advaitam akk m sg zum Advaita mokṣa- Befreiung arthe lok m sg im Ziel api sogar vyavasthitaḥ ppp nom m sg entschlossen āścaryam interj o Wunder kāma- Lust, Liebe vaśagaḥ nom m sg in der Gewalt von, untertan vikalaḥ nom m sg woran ein Teil fehlt, unvollkommen keli- Liebeslust, Belustigung, Scherz śikṣayā durch die Geschicklichkeit / Kunst, durch die Züchtigung
udbhūtaṃ jñāna-durmitram
avadhāryātidurbalaḥ |
āścaryaṃ kāmam ākāṅkṣet
kālam antam anuśritaḥ || 3.7 ||
Es ist [auch] für den völlig Kraftlosen zu begreifen, dass ein schlechter Freund für die Erkenntnis aufgetaucht ist, hägte man, dem Ende der Lebenszeit zugewandt, oh Wunder, Verlangen nach Lust.
udbhūtam ppp nom n sg aufgetaucht jñāna- Erkenntnis durmitram nom n sg schlechter Freund avadhārya- sollte begriffen werden, verstanden werden atidurbalaḥ nom m sg der überaus Schwächliche āścaryam interj o Wunder kāmam akk sg m der Lust ākāṅkṣet 3 sg opt er verlange nach kālam akk m sg zur Zeit antam akk m sg zum Ende anuśritaḥ ppp nom m sg zugewandt
ihāmutra viraktasya
nityānitya-vivekinaḥ |
āścaryaṃ mokṣa-kāmasya
mokṣād eva vibhīṣikā || 3.8 ||
Selbst für den, dem diese Welt und die jenseitige gleichgültig sind, der Ewiges von Vergänglichen unterscheidet und der die Befreiung wünscht, oh Wunder, gibt es Furcht vor eben dieser Befreiung.
iha adv hier, in dieser Welt amutra adv dort, im Jenseits viraktasya ppp gen sg m für den, der gleichgültig geworden ist gegenüber Personen und Sachen nitya- ewig anitya- Vergänglich vivekinaḥ gen m sg für den unterscheidenden āścaryam interj o Wunder mokṣa- Befreiung kāmasya gen m sg für den der wünscht mokṣāt abl m sg von der Befreiung eva in der Tat vibhīṣikā nom f sg Schreck, Einschüchterung, Furcht vor
dhīras tu bhojyamāno 'pi
pīḍyamāno 'pi sarvadā |
ātmānaṃ kevalaṃ paśyan
na tuṣyati na kupyati || 3.9 ||
Der Weise aber, der ausschließlich das eigene Selbst erblickt, auch wenn er ständig verwöhnt oder gequält wird, freut sich weder, noch regt er sich auf.
dhīraḥ nom m sg der Weise, Beständige tu jedoch bhojyamānaḥ kaus pass ppräs nom m sg verwöhnt werdend api auch, sogar pīḍyamānaḥ ppräs pass nom m sg gequält werdend api auch, sogar sarvadā stets, allzeit ātmānam akk m sg den Ātman, das Selbst kevalam akk m sg ausschießlich paśyan ppräs nom m sg sehend na nicht tuṣyati 3 sg präs sich freut, zufrieden ist na nicht kupyati 3 sg präs in Zorn gerät
ceṣṭamānaṃ śarīraṃ svaṃ
paśyaty anya-śarīravat |
saṃstave cāpi nindāyāṃ
kathaṃ kṣubhyet mahāśayaḥ || 3.10 ||
Wenn sich sein Körper bewegt, betrachtet er es, als wäre es der Körper eines anderen. In Lob oder auch in Verachtung, wie sollte dieser Großherzige in Aufregung geraten.
ceṣṭamānam ppräs nom n sg sich bewegend śarīram nom n sg Körper svam nom n sg der eigene paśyati 3 sg präs er sieht anya- ein anderer śarīravat nom n sg wie der Körper saṃstave lok m sg bei Lobpreisung ca und api auch nindāyām lok f sg bei Schmähung katham wie kṣubhyet 3 sg opt könnte in Aufregung geraten mahāśayaḥ nom m sg der mit großem inneren Gefäß / Herz / Gemüt
māyā-mātram idaṃ viśvaṃ
paśyan vigata-kautukaḥ |
api saṃnihite mṛtyau
kathaṃ trasyati dhīradhīḥ || 3.11 ||
Dieser, von dem das neugierige Verlangen gewichen ist, der sieht, dass dies alles bloße Māyā ist. Was könnte diesen von festem Geist, selbst in Gegenwart des Todes, schon erschrecken?
māyā- Māyā mātram nom n sg nichts als idam nom n sg dies viśvam nom n sg das Weltall paśyan ppräs nom m sg sehend vigata- ppp weggegangen kautukaḥ nom m sg Neugierde, Interesse, Verlangen nach api sogar saṃnihite ppp lok m sg bei bevorstehendem, in der Nähe befindlichen mṛtyau lok m sg vor/bei dem Tod katham wie trasyati 3 sg präs erschreckt, erzittert, erbebt dhīra- beständig, fest, verständig, weise, geschickt dhīḥ nom f sg Geist
niḥspṛhaṃ mānasaṃ yasya
nairāśye 'pi mahātmanaḥ |
tasyātma-jñāna-tṛptasya
tulanā kena jāyate || 3.12 ||
Wer könnte dem Mahātmā, dessen Gemüt selbst in verzweifelter Lage ohne Verlangen ist, der gesättigt ist in der Erkenntnis seines Selbstes, die Waage halten?
niḥspṛham nom n sg ohne Verlangen mānasam nom n sg Gemüt yasya gen sg desjeniges, dessen nairāśye log n sg in Verzweiflung. in hoffnungsloser Lage api sogar mahātmanaḥ dessen des tasya ātma- Selbst jñāna- Erkenntnis tṛptasya ppp gen m sg des Satten, Befriedigten tulanā nom f sg Gleichheit, das Abwägen kena inst sg durch wen jāyate 3 sg ātm präs erzeugt, bewirkt, hervorbringt, verursacht, entsteht
svabhāvād eva jānāno
dṛśyam etan na kiṃcana |
idaṃ grāhyam idaṃ tyājyaṃ
sa kiṃ paśyati dhīradhīḥ || 3.13 ||
Wer weiß, dass von Natur aus das hier Sichtbare ein bloßes Nichts ist, was kann dieser von festem Geist noch erblicken, das es sich lohnte, zu gewinnen oder aufzugeben.
svabhāvāt abl m sg durch die eigene Art des Seins eva in der Tat jānānaḥ ppräs nom m sg wissend dṛśyam nom n sg das Sichtbare etat nom n sg dieses na nicht kiṃcana was auch immer, irgendwas idam nom n sg dieses grāhyam nom n sg zu ergreifen idam nom n sg dieses tyājyam nom n sg aufzugeben saḥ nom m sg er kim was paśyati 3 sg präs sieht, erblickt dhīra- fest dhīḥ nom f sg Geist
antas-tyakta-kaṣāyasya
nirdvaṃdvasya nirāśiṣaḥ |
yadṛcchayāgato bhogo
na duḥkhāya na tuṣṭaye || 3.14 ||
Wer sich vom Schmutz in seinem Inneren befreit hat, den Gegensatzpaaren gegenüber gleichgültig, frei von Erwartungen, dem dient ein zufällig gekommener Sinnesgenuss weder dem Unbehagen noch der Befriedigung.
antas- innen tyakta- ppp losgelassen, aufgegeben, zurückgewiesen kaṣāyasya gen m sg der Uneinigkeit, des an der Seel haftenden Schmutzes, des sittlichen Verfalls nirdvaṃdvasya gen m sg dessen der jenseits der Gegensatzpaare ist nirāśiṣaḥ gen m sg dessen der alle Erwartungen aufgegeben hat yadṛcchayā inst f sg durch Zufall āgataḥ ppp nom m sg gekommen bhogaḥ nom m sg Genuss na nicht duḥkhāya dat n sg dem Unbehagen na nicht tuṣṭaye dat f sg der Zufriedenheit
gurur uvāca |
hantātma-jñasya dhīrasya
khelato bhoga-līlayā |
na hi saṃsāra-vāhīkair
mūḍhaiḥ saha samānatā || 4.1 ||
Der Lehrer sprach:
Nun denn, den Gefestigten, den Kenner seines Selbstes, der sich scherzend hin und her bewegt zum bloßen Spiel des Sinnengenusses, den kann man nicht vergleichen mit verwirrten Narren im Elend des weltlichen Daseins.
hanta interj wohlan ātma- Selbst jñasya gen m sg des Kenners, Kennenden dhīrasya gen m sg des Gefestigten, des Weisen khelataḥ ppräs gen m sg spielend bhoga- Sinnesgenuss līlayā inst f sg mit dem Spiel na nicht hi denn, ja, nämlich saṃsāra- Elend des weltlichen Daseins vāhīkair inst m pl durch die verachteten Vāhikas mūḍhaiḥ ppp inst m pl durch die verwirrten saha adv zusammen samānatā nom fd sg Gleichheit mit
yat padaṃ prepsavo dīnāḥ
śakrādyāḥ sarva-devatāḥ |
aho tatra sthito yogī
na harṣam upagacchati || 4.2 ||
Jene würdevolle Position, nach der sich Armselige sehnen, angefangen vom starken Indra und allen Göttern, oh, wenn der Yogī dort steht, empfindet er keine freudige Genugtuung.
yat akk n sg jenes padam akk n sg Stellung, Position, Spur prepsavaḥ nom pl m die zu erlangen Wünschenden dīnāḥ nom pl m die Armseligen, Kläglichen śakra- Indra ādyāḥ nom pl f als Anfang habend, usw. sarva- alle devatāḥ nom pl f Gottheiten aho interj o Wunder tatra dort sthitaḥ ppp nom m sg stehend, sich befindend yogī nom m sg der Yogin na nicht harṣam akk m sg Freude, freudige Erregung, Geilheit upagacchati 3 sg präs sich hingibt
taj-jñasya puṇya-pāpābhyāṃ
sparśo hy antar na jāyate |
na hy ākāśasya dhūmena
dṛśyamānāpi saṃgatiḥ || 4.3 ||
Denn für den Wissenden kommt es im Innern zu keiner Berührung mit günstigen oder ungünstigen Handlungen. Für den Luftraum gibt es auch keine Vereinigung mit Rauch, selbst wenn das so aussieht.
tat- das jñasya gen m sg des Wissenden puṇya- verdienstvolle Taten, Tugend pāpābhyām dual inst n mit Sünden, Übel sparśaḥ nom m sg Berührung. hi denn, nämlich antar adv im Innern na nicht jāyate 3 sg ātm präs wird hervorgeraht, erzeugt na nicht hi denn, nämlich ākāśasya gen m sg des freien Raums, Luftraums, des Ākāśas dhūmena inst m sg durch Rauch dṛśyamānā ppräs pass nom f sg gesehen werdend api obwohl, auch wenn saṃgatiḥ nom f sg Zusammenkommen, Vereinigung, Verschmelzung
ātmaivedaṃ jagat sarvaṃ
jñātaṃ yena mahātmanā |
yad-ṛcchayā vartamānaṃ
taṃ niṣeddhuṃ kṣameta kaḥ || 4.4 ||
Wer könnte jenem Mahātmā, der erkannt hat, dass dieses ganzes Universum nur er selbst ist, verbieten, sich zu verhalten, wie es sich spontan ergibt?
ātmā nom m sg das Selbst eva wahrlich, in der Tat idam nom n sg dieses jagat nom n sg Welt sarvam nom n sg ganz jñātam ppp nom n sg erkannt habend yena inst sg von jenem mahātmanā inst m sg von dem Mahātmā yad-ṛcchayā inst f sg zufällig, wie es kommt, von ungefähr, ganz von selbst, ohne besondere Veranlassung, unerwarteter Weise vartamānam ppräs ātm akk m sg sich in einer bestimmte Weise verhaltend, auftretend tam akk m sg den niṣeddhum infinitiv verbieten, untersagen kṣameta 3 sg opt vermag es, ist im Stande kaḥ nom m sg wer
ā-brahma-stamba-paryante
bhūta-grāme catur-vidhe |
vijñasyaiva hi sāmarthyam
icchānicchā-vivarjane || 4.5 ||
In der vierfachen Schar der Wesen [, d.h. Götter, Menschen, Tieren und Pflanzen], vom Schöpfer bis hin zum Grasbüschel, gibt es allerdings nur beim Wissenden die Fähigkeit zum Aufgeben von Zuneigung und Abneigung.
ā- präp iic bis zu … sich erstreckend brahma- Brahmā, der Weltenschöpfer stamba- Grasbüschel paryante lok m sg ifc bis ans Ende von bhūta- Geschöpf grāme lok m sg bei der Schaar catur- vier vidhe lok mn sg in der Art vijñasya gen k sg des/für den Wissenden eva wahrlich hi nämlich, allerdings sāmarthyam nom n sg Vermögen, Kraft, Berechtigung icchā- Wunsch anicchā- Abneigung vivarjane lok n sg im Aufgeben
ātmānam advayaṃ kaścij
jānāti jagad-īśvaraṃ |
yad veti tat sa kurute
na bhayaṃ tasya kutracit || 4.6 ||
Wer auch immer sein Selbst als ohne Zweites und als Gebieter des Universums kennt, der tut wozu er Lust hat und nirgendwo hat er Angst.
ātmānam akk sg m den Ātman, das Selbst advayam akk m sg den zweitlosen kaścit nom m sg wer auch immer jānāti 3 sg präs kennt jagad- Weltall, Welt īśvaram akk m sg Gebieter yat nom n sg jenes veti 3 sg präs er sucht verlangend auf, ergreift gern tat akk n sg das saḥ nom m sg er kurute 3 sg ātm präs tut, macht na nicht bhayam nom n sg Furcht tasya gen sg für ihn, seine kutracit adv wo auch immer
gurur uvāca |
na te saṅgo 'sti kenāpi
kiṃ śuddhas tyaktum icchasi |
saṃghāta-vilayaṃ kurvann
evam eva layaṃ vraja || 5.1 ||
Der Lehrer:
Du haftest an nichts was auch immer. Von was also, der du rein bist, willst du dich lossagen? Löse die körperliche Identifikation auf und gehe auf diese Art zur Verschmelzung.
na nicht te dat/gen sg dir, dein saṅgaḥ nom m sg das Haften an asti 3 sg präs ist kena inst sg durch wen api auch kim nom n sg was śuddhaḥ ppp nom m sg der Reine, rein tyaktum infinitiv aufzugeben icchasi 2 sg präs du wünscht saṃghāta- Verdichtung, Aggregat, Körper vilayam akk m sg das Verschwinden, zu Nichte gehen kurvan ppräs nom m sg tuend, bewirkend, machend evam so eva wahrlich layam akk m sg zur Verschmelzung vraja 2 sg imperativ gehe
udeti bhavato viśvaṃ
vāridher iva budbudaḥ |
iti jñatvaikam ātmānam
evam eva layaṃ vraja || 5.2 ||
In dir steigt das All auf wie eine Wasserblase im Meer. Dies erkennend als das eine Selbst, auf diese Art gehe zur Verschmelzung.
udeti 3 sg präs geht/steigt auf, erhebt sich, bricht auf, geht hervor bhavataḥ abl sg m von euer Ehren viśvam nom n sg das Weltall vāridheḥ abl sg m vom Meer iva wie budbudaḥ nom m sg Wasserblase iti also jñatva absolutiv erkannt habend ekam akk m sg eins, einzig ātmānam akk m sg den Ātman evam so eva wahrlich layam akk m sg zur Verschmelzung vraja 2 sg imperativ gehe
pratyakṣam apy avastutvād
viśvaṃ nāsty amale tvayi |
rajju-sarpa iva vyaktam
evam eva layaṃ vraja || 5.3 ||
Obwohl vor Augen, ist das Universum nicht in dir, dem Fleckenlosen, weil es keine Substanz hat. Es hat sich entfaltet wie eine Schlange, wo nur ein Seil ist. Auf diese Art gehe zur Verschmelzung.
pratyakṣam adv vor Augen api obwohl a-vastu-tvāt abl n sg durch Unwirklichkeit viśvam nom n sg die Welt na nicht asti 3 sg präs ist amale lok m sg in dem Fleckenlosen, reinen tvayi lok sg in dir rajju- Seil sarpaḥ nom m sg Schlange iva wie vyaktam ppp nom n sg offenbar, deutlich evam so eva wahrlich layam akk m sg zur Verschmelzung vraja 2 sg imperativ gehe
sama-duḥkha-sukhaḥ pūrṇa
āśā-nairāśyayoḥ samaḥ |
sama-jīvita-mṛtyuḥ sann
evam eva layaṃ vraja || 5.4 ||
Gleich bei ungenehm und angenehm, in sich vollständig, gleich in Hoffnung und Hoffnungslosigkeit, gleich in Leben und Tod, auf diese Art gehe zur Verschmelzung.
sama- gleich duḥkha- unangenehm sukhaḥ nom m sg Angenehmes pūrṇaḥ ppp nom m sg vollkommen āśā- Hoffnung nairāśyayoḥ gen dual m dessen der jenseits von Hoffnung ist, der ohne Erwartung ist samaḥ nom m sg der Gleiche sama- gleich jīvita- Leben mṛtyuḥ nom m sg Tod san ppräs nom m sg seiend evam so eva wahrlich layam akk m sg zur Verschmelzung vraja 2 sg imperativ gehe
śiṣya uvāca |
ākāśavad ananto 'haṃ
ghaṭavat prakṛtaṃ jagat |
iti jñānaṃ tathaitasya
na tyāgo na graho layaḥ || 6.1 ||
Der Schüler sprach:
Ich bin unendlich wie der leere Raum, die geschaffene Welt ist wie ein Krug. Das ist Erkenntnis. Von dieser Ebene aus gilt bezüglich der [geschaffenen Welt] kein Loslassen, kein Ergreifen, nur Verschmelzen.
ākāśavat adv wie der Ākāśa, der leere Raum anantaḥ nom m sg endlos aham ich ghaṭa- Krug -vat adv wie prakṛtam ppp nom n sg geschaffen, veranstaltet, gemacht jagat nom n sg Welt iti also jñānam nom n sg Erkenntnis tathā adv so, auf diese Weise etasya gen mn sg dessen, davon na nicht tyāgaḥ nom m sg Verstoßen, Entsagung, Loslassen, Zurückweisung na nicht grahaḥ nom m sg Ergreifen, Festhalten layaḥ nom m sg Verschmelzen
mahodadhir ivāhaṃ sa
prapañco vīci-saṃnibhaḥ |
iti jñānaṃ tathaitasya
na tyāgo na graho layaḥ || 6.2 ||
Wie der große Ozean, das bin ich. Die Welt der Vielheit gleicht den Wellen. Das ist Erkenntnis. Von dieser Ebene aus gilt bezüglich der [Welt der Vielheit] kein Loslassen, kein Ergreifen, nur Verschmelzen.
mahā groß udadhiḥ nom m sg Wasserbehälter, Meer iva wie aham ich saḥ nom m sg er, dieser prapañcaḥ nom m sg Mannigfaltigkeit vīci- Welle saṃnibhaḥ nom m sg ähnich, gleich iti also jñānam nom n sg Erkenntnis tathā adv so, auf diese Weise etasya gen mn sg dessen, davon na nicht tyāgaḥ nom m sg Verstoßen, Entsagung, Loslassen, Zurückweisung na nicht grahaḥ nom m sg Ergreifen, Festhalten layaḥ nom m sg Verschmelzen
ahaṃ sa śukti-saṃkāśo
rūpyavad viśva-kalpanā |
iti jñānaṃ tathaitasya
na tyāgo na graho layaḥ || 6.3 ||
Ich bin so wie die Perlmuschel. Das eingebildete Weltall ist wie das [in der Perlmuschel illusorisch erscheinende] Silber. Das ist Erkenntnis. Von dieser Ebene aus gilt bezüglich dem [eingebildeten Weltall] kein Loslassen, kein Ergreifen, nur Verschmelzen.
aham ich saḥ nom m sg dieser, er śukti- Permutt, Perlmuschel saṃkāśaḥ ifc nom m sg gleichend, aussehend rūpyavat adv wie Silber viśva- Weltall kalpanā nom f sg Fiktion, Annahme von etwas in Wirklichkeit nicht Existierendem iti also jñānam nom n sg Erkenntnis tathā adv so, auf diese Weise etasya gen mn sg dessen, davon na nicht tyāgaḥ nom m sg Verstoßen, Entsagung, Loslassen, Zurückweisung na nicht grahaḥ nom m sg Ergreifen, Festhalten layaḥ nom m sg Verschmelzen
ahaṃ vā sarva-bhūteṣu
sarva-bhūtāny atho mayi |
iti jñānaṃ tathaitasya
na tyāgo na graho layaḥ || 6.4 ||
Oder auch so: Ich bin in allen Wesen und alle Wesen sind in mir. Das ist Erkenntnis. Von dieser Ebene aus gilt bezüglich [allen Wesen] kein Loslassen, kein Ergreifen, nur Verschmelzen.
aham ich vā oder, alternativ sarva- alle bhūteṣu lok n pl in den Wesen sarva- alle bhūtāni nom n pl Wesen atha-u adv dann, daraufhin mayi lok sg in mir iti also jñānam nom n sg Erkenntnis tathā adv so, auf diese Weise etasya gen mn sg dessen, davon na nicht tyāgaḥ nom m sg Verstoßen, Entsagung, Loslassen, Zurückweisung na nicht grahaḥ nom m sg Ergreifen, Festhalten layaḥ nom m sg Verschmelzen
śiṣya uvāca |
mayy ananta-mahāmbhodhau
viśva-pota itas-tataḥ |
bhramati svānta-vātena
na mamāsty asahiṣṇutā || 7.1 ||
Der Schüler sprach:
In mir, dem unendlich großen Ozean, schwankt das Schiff welches das All ist, durch den Gemütswind hin und her, da gibt es für mich nichts Unerträgliches.
mayi lok sg in mir ananta- unendlich mahā- groß ambhodhau lok m sg im Ozean viśva- Weltall potaḥ nom mn sg Schiff, Boot itas-tataḥ adv hierhin und dorthin, hin und herankommen bhramati 3 sg präs irrt herum, taumelt svānta- das eigene Ende, der eigene Tod, das eigene Gebiet, Herz, Sitz der Gefühle vātena inst m sg durch den Wind na nicht mama gen sg mein asti 3 sg präs ist asahiṣṇutā nom f sg das nicht ertragen können, Unerträgliches
mayy ananta-mahāmbhodhau
jagad-vīciḥ svabhāvataḥ |
udetu vāstam āyātu
na me vṛddhir na ca kṣatiḥ || 7.2 ||
Soll doch in mir, dem unendlich großen Ozean, die Welle des Universum aus sich selbst heraus aufsteigen oder vergehen, für mich gibt es keinen Vorteil oder Nachteil.
mayi lok sg in mir ananta- unendlich mahā- groß ambhodhau lok m sg im Ozean jagad- Welt vīciḥ nom f sg Welle, Woge svabhāvataḥ adv von Natur aus, durch sich selbst, von selbst udetu 3 sg imperativ es soll aufsteigen vā oder astam adv heimwärts, zum Untergang āyātu 3 sg imperativ es soll gehen na nicht me gen/at sg für mich, mein vṛddhiḥ nom f sg Wachstum, Zuwachs, Gewinn na nicht ca und kṣatiḥ nom f sg Einbuße, Schaden, Nachteil
mayy ananta-mahāmbhodhau
viśvaṃ nāma vikalpanā |
atiśānto nirākāra
etad evāham āsthitaḥ || 7.3 ||
In mir, dem unendlich großen Ozean ist eine Einbildung namens Universum. Überaus still, ohne Gestalt, so stehe ich da.
mayi lok sg in mir ananta- unendlich mahā- groß ambhodhau lok m sg im Ozean viśvam nom n sg Weltall nāma nom n sg namens, mit Namen vikalpanā nom f sg Fiktion, Einbildung atiśāntaḥ ppp nom m sg überaus friedvoll nirākāraḥ nom m sg Gestaltlos etat nom n sg dieses eva wahrlich aham ich āsthitaḥ ppp nom m sg dastehend, lebend, sich befindend
nātmā bhāveṣu no bhāvās
tatrānante nirañjane |
ity asakto 'spṛhaḥ śānta
etad evāham āstitaḥ || 7.4 ||
Das Selbst ist nicht in dem was man glaubt zu sein und was man glaubt zu sein, ist nicht dort, im Unendlichen, Unbefleckten. Also unverhaftet, ohne Verlangen, voller Frieden, so stehe ich da.
na nicht ātmā nom m sg der Ātman, das Selbst bhāveṣu lok m sg in den Gefühlszuständen na-u adv und nicht bhāvāḥ nom m pl die Gefühlszustände tatra adv dort anante lok m sg im Unendlichen nirañjane lok m sg im Unbeflekten iti also asaktaḥ ppp nom m sg unverhaftet a-spṛhaḥ nom m sg ohne Verlangen śāntaḥ ppp nom m sg friedvoll etat nom n sg dieses eva wahrlich aham ich āsthitaḥ ppp nom m sg dastehend, lebend, sich befindend
aho cin-mātram evāham
indra-jālopamaṃ jagat |
ato mama kathaṃ kutra
heyopādeya-kalpanā || 7.5 ||
Oh, nichts als reines Bewusstsein bin ich, die Welt ist wie Indras Blendwerk. Wie und woher käme mir deshalb der Wahn, etwas zu verwerfen oder zu ergreifen?
aho oh cit- reines Bewusstsein mātram nom n sg nichts als eva wahrlich aham ich indra-jāla- Indras Netz, Blendwerk, Zauber upamam nom n sg ähnlich, gleichend jagat nom n sg die Welt atas adv von hier, daher mama gen sg mein, für mich katham wie? auf welche Weise? woher? kutra wo? wohin? wozu? worauf? heya- pfutur aufzugeben, zu meiden,zu verwerfen upādeya- pfutur anzunehmen, vorzüglich kalpanā nom f sg Einbildung, Fiktion
gurur uvāca |
tadā bandho yadā cittaṃ
kiṃcid vāñchati śocati |
kiṃcin muñcati gṛhṇāti
kiṃcid dhṛṣyati kupyati || 8.1 ||
Der Lehrer
Dann ist Bindung, wenn der Geist irgendetwas begehrt oder bedauert, irgendetwas loslässt oder ergreift, sich über irgendetwas freudig erregt oder ärgert.
tadā dann bandhaḥ nom m sg Bindung, Fesselung yadā wenn cittam nom n sg der denkende Geist kiṃcid irgendetwas vāñchati 3 sg präs wünscht śocati 3 sg präs sich grähmt, etwas bedauert, betrauert √śuc kiṃcid irgendetwas muñcati 3 sg präs loslässt, sich von etw befreit
tadā muktir yadā cittaṃ
na vāñchati na śocati |
na muñcati na gṛhṇāti
na hṛṣyati na kupyati || 8.2 ||
Dann ist Befreiung, wenn der Geist nicht begehrt, nicht bedauert, nicht loslässt, nicht ergreift, nicht freudig erregt ist, sich nicht ärgert.
tadā dann muktiḥ nom f sg Befreiung yadā wenn cittam nom n sg der denkende Gesit na nicht vāñchati 3 sg präs wünscht na nicht śocati 3 sg präs sich grähmt, etwas bedauert, betrauert na nicht muñcati 3 sg präs loslässt, sich von etw befreit na nicht gṛhṇāti 3 sg präs ergreift na nicht hṛṣyati 3 sg präs freudig erregt ist na nicht kupyati 3 sg präs zürnt, sich aufregt
tadā bandho yadā cittaṃ
saktaṃ kāsv api dṛṣṭiṣu |
tadā mokṣo yadā cittam
asaktaṃ sarva-dṛṣṭiṣu || 8.3 ||
Dann ist Bindung, wenn der Geist an irgendwelchen Sinneswahrnehmungen klebt, dann ist Befreiung, wenn der Geist an keinen Sinneswahrnehmngen hängen bleibt.
tadā dann bandhaḥ nom m sg Bindung, Fesselung yadā wenn cittam nom n sg der denkende Gesit saktam ppp nom n sg klebend, verhaftet kāsu lok pl f bei welcher api auch immer dṛṣṭiṣu lok f pl bei Blicken, Schauen, Berücksichtigungen, Ansichten tadā dann mokṣaḥ nom m sg Befreiung yadā wenn cittam nom n sg der denkende Geist asaktam ppp no n sg unverhaftet, nicht hängen bleibend an, mit dem Herzen unbeteiligt sarva- alle dṛṣṭiṣu lok f pl an den Ansichten
yadā nāhaṃ tadā mokṣo
yadāhaṃ bandhanaṃ tadā |
matveti helayā kiṃcit
mā gṛhāṇa vimuñca mā || 8.4 ||
Wenn kein Ich, dann Befreiung, wenn Ich, dann Bindung. Mit dieser Haltung, ohne dir einen Zwang anzutun, ergreife nichts, befreie dich von nichts.
yadā wenn na nicht aham ich tadā dann mokṣaḥ nom m sg Befreiung yadā wenn aham ich bandhanam nom n sg Fesselung, Gefangennahme tadā dann matvā absolutiv meinend, haltend, denkend iti also helayā inst f sg leichtsinniger Weise, mit Leichtigkeit, ohne sich einen Zwang anzutun, ohne Weiteres, mir nichts dir nichts kiṃcid irgendetwas mā nicht, keinesfalls gṛhāṇa 2 sg imperativ ergreife, packe, halte fest vimuñca 2 sg imperativ löse dich von, lege ab, gebe frei, entkomme aus, erlöse dich von den Banden der Welt mā nicht, keinesfalls
gurur uvāca |
kṛtākṛte ca dvaṃdvāni
kadā śāntāni kasya vā |
evaṃ jñātveha nirvedād
bhava tyāga-paro 'vratī || 9.1 ||
Der Lehrer sprach:
Getan und nicht getan und die Gegensatzpaare, wann sind sie je zur Ruhe gekommen? Oder bei wem? Nachdem du das erkannt hast, sei aus Überdruss am weltlichen Treiben hier ganz darauf bedacht, alles abzulegen, ohne Gelübde einzugehen.
kṛta- ppp getan akṛte ppp nom n dual ungetanes ca und dvaṃdvāni nom pl n die Gegensatzpaare kadā wann śāntāni ppp nom n pl ruhig kasya wessen vā oder evam so, in dier Art jñātvā absolutiv erkannt habend iha in dieser Welt hier nirvedāt abl, m sg durch Überdruss, Ekel, Gleichgültigkeit gegen die Welt bhava 2 sg imperativ sei tyāga- Entsagung, Loslassen, Verstoßen paraḥ nom m sg ganz beschäftigt mit, Hauptbeschäftigung avratī nom m sg ein gesetzloser, ungehorsamer, der die religiösen Obliegenheiten nicht erfüllt
kasyāpi tāta dhanyasya
loka-ceṣṭāvalokanāt |
jīvitecchā bubhukṣā ca
bubhutsopaśamaṃ gatāḥ || 9.2 ||
Bei einem seltenen Glücklichen, mein Lieber, verschwinden durch Betrachten des angestrengten Treibens der Welt der Lebenswunsch, das Verlangen nach Genuss und die Wissbegierde.
kasya gen sg m wessen, für wen api auch immer tāta vok sg m mein Lieber dhanyasya gen sg m des Glücklichen loka- Welt, Leute, das Volk ceṣṭā- Anstrengung, das Tun und Treiben avalokanāt abl sg n durch das Sehen, Erblicken, Betrachten, Mustern jīvita- Leben icchā nom f sg Wunsch, Verlangen bubhukṣā nom f sg Esslust, Hunger ca und bubhutsā nom f sg Neugierde upaśamam akk m sg zu Aufhören, zum Erlöschen gatāḥ ppp nom f pl gegangen
anityaṃ sarvam evedaṃ
tāpa-tritaya-dūṣitam |
asāraṃ ninditaṃ heyam
iti niścitya śāmyati || 9.3 ||
Hier ist wirklich alles unbeständig, verdorben durch die dreifache Qual [die man sich selbst antut, die andere oder die Natur einem antun], nichtig, mit Makeln behaftet, vermeidenswert. Nachdem man das kapiert hat, kommt man zur Ruhe.
anityam nom n sg unbeständig sarvam nom n sg alles eva wahrlich idam nom n sg dieses tāpa- Glut, Schmerz, Qual tritaya- Dreizahl dūṣitam ppp kaus nom n sg mit dem Makel behaftet, verdorben asāram nom n sg untauglich, wertlos, nichtig ninditam ppp nom n sg verschmäht, getadelt heyam nom n sg zu meiden, verwerflich iti also niścitya absolutiv sich überzeugt habend śāmyati 3 sg präs wird man/er ruhig
ko 'sau kālo vayaḥ kiṃ vā
yatra dvaṃdvāni no nṛṇām |
tāny upekṣya yathā-prāpta-
vartī siddhim avāpnuyāt || 9.4 ||
Gibt es eine Zeit oder einen Lebensabschnitt, an dem die Gegensatzpaare für jemanden nicht da sind? Indem man sie nicht beachtet und sich verhält, wie es sich ergibt, kann man Vollendung erlangen.
kaḥ nom m sg wer asau nom m sg jener kālaḥ nom m sg Zeit vayaḥ nom n sg Lebensstufe, Lebensalter kim was vā oder yatra wo dvaṃdvāni nom pl n die Gegensatzpaare no und nicht nṛṇām gen pl m für die Menschen tāni nom pl n diese upekṣya absolutiv nicht beachtend yathā-prāpta- wie angetroffen, aus den Verhältnissen sich ergebend, den Umständen entsprechend vartī nom m sg sich befindend, begriffen in siddhim akk sg f zur Vollendung avāpnuyāt 3 sg opt erlangen möge
nānā-mataṃ maharṣīṇāṃ
sādhūnāṃ yogināṃ tathā |
dṛṣṭvā nirvedam āpannaḥ
ko na śāmyati mānavaḥ || 9.5 ||
Welcher Mensch wird nicht still, wenn er sich mit der vielfäligen Lehre der großen Seher, Sādhus wie auch der Yogis vertraut gemacht hat und in die Stimmung der Unlust gegenüber der Welt geraten ist?
nānā- mannigfaltig matam nom n sg Lehre, Ansicht, Meinung maharṣīṇām gen pl m der großen Seher sādhūnām gen pl m der Sādhus yoginām gen pl m der Yogis tathā ebenso dṛṣṭvā absolutiv gesehen habend, betrachtet habend nirvedam nom sg m Weltüberdruss āpannaḥ ppp nom m sg hineingeraten, einer Stimmung teilhaftig geworden kaḥ nom m sg wer na nicht śāmyati 3 sg präs kommt zur Ruhe, wird still mānavaḥ nom m sg Mensch
kṛtvā mūrti-parijñānaṃ
caitanyasya na kiṃ guruḥ |
nirveda-samatā-yuktyā
yas tārayati saṃsṛteḥ || 9.6 ||
Ist nicht der der Guru, der die konkrete Erfahrung des Bewusstseins bewirkt, und einem mittels Gleichmut und Unlust gegenüber der Welt zum Überwinden der Armseligkeit des weltlichen Daseins verhilft?
kṛtvā absolutiv gemacht habend mūrti- Erscheinungsform, Manifestation, Person parijñānam nom n sg das Erkennen caitanyasya gen sg n des Bewusstseins na nicht kim was guruḥ nom m sg der Guru nirveda- Weltüberdruss samatā- Gleichheit yuktyā inst f sg vermittelst yaḥ nom m sg welcher tārayati kaus 3 sg präs hinüberführt, rettet, erlöst saṃsṛteḥ abl sg f vom Saṃsāra, vom weltlichen Dasein
paśya bhūta-vikārāṃs tvaṃ
bhūta-mātrān yathārthataḥ |
tat-kṣaṇād bandha-nirmuktaḥ
sva-rūpa-stho bhaviṣyasi || 9.7 ||
Betrachte du die Umgestaltungen der stofflichen Elemente [aus denen das Weltall besteht] als in Wirklichkeit nichts anderes als diese Elemente selbst. Im selben Moment wirst du von Fesseln befreit werden und dich in deiner eigenen Wesensgestalt befinden.
paśya 2 sg imperativ sieh, schau bhūta- stoffliches Element vikārān akk m pl die Umgestaltungen tvam du bhūta- stoffliches Element mātrān akk pl m nichts als yathārthataḥ adv der Wahrheit gemäß tat-kṣaṇāt abl m sg durch denselben Moment, sofort, im demselben Augenblick bandha- Fesseln, Bindung nirmuktaḥ ppp nom m sg gelöst, befreit sva- eigen rūpa- Wesen sthaḥ nom m sg befindlich bhaviṣyasi 2 sg futur du wirst sein
vāsanā eva saṃsāra
iti sarvā vimuñca tāḥ |
tat-tyāgo vāsanā-tyāgāt
sthitir adya yathā tathā || 9.8 ||
Vāsanās, die im Geist innewohnenden Wünsche und Befürchtungen, wahrlich das ist Saṃsāra, die Armseligkeit des weltlichen Daseins . Mit diesem Gedanken befreie dich von all diesen Wünschen und Befürchtungen. Durch deren Aufgeben entsteht das Verlassen des Saṃsāra. Jetzt kannst du leben, wie immer es sich fügt.
vāsanāḥ nom f pl Vāsanās, die im Geist innewohnenden Wünsche und Befürchtungen eva wahrlich saṃsāraḥ nom m sg das weltliche Leben iti also sarvāḥ nom f pl alle vimuñca absolutiv losgelassen habend tāḥ nom f pl sie, diese tat- dessen tyāgaḥ nom m sg Ehntsagung vāsanā- Vāsana tyāgāt ab sg m durtch Entsagung sthitiḥ nom f sg der Zustand, das Dastehen adya jetzt yathā tathā adv wie immer es auch sei, auf irgendeine Weise, auf beliebige Weise
gurur uvāca |
vihāya vairiṇaṃ kāmam
arthaṃ cānartha-saṃkulam |
dharmam apy etayor hetuṃ
sarvatrānādaraṃ kuru || 10.1 ||
Der Lehrer
Befreie dich von dem Feind, dem Sinnesverlangen, das reichlich versehen ist mit Gewinn und Verlust. Ebenso von der sozialen Erwartungshaltung, Ursache von Gewinn und Verlust. Praktiziere Gleichgültigkeit in jeder Lage.
vihāya absolutiv sich befreit habend vairiṇam akk m sg von dem Feind kāmam akk sg m Sinnesverlangen artham akk m sg Vorteil, Erfolg ca und anartha- Nachteil, Misserfolg saṃkulam akk m sg begleitet von dharmam akk m sg Brauch, Sitte, Rechtschaffenheit api auch etayoḥ gen dual m von beiden hetum akk m sg Ursache sarvatra überall anādaram akk m sg Nichtbeachtung kuru 2 sg imperativ mache, praktiziere
svapnendra-jālavat paśya
dināni trīṇi pañca vā |
mitra-kṣetra-dhanāgāra-
dāra-dāyādi-saṃpadaḥ || 10.2 ||
Betrachte dies wie einen Traum oder wie ein Zauberkunststück von drei oder fünf Tagen Dauer, einhergehend mit Freunden, Grundbesitz, Gütern, Haus, Ehepartner, Erbschaften usw.
svapna- Traum indrajāla- Indras Netz, Blendwerk °vat wie paśya 2 sg imperativ sieh, betrachte, erkenne dināni nom n pl Tage trīṇi nom n pl drei pañca nom n pl fünf vā oder mitra- Freund,Freundschaft kṣetra- Feld dhana- Beute, Reichtum agāra- Haus dāra- Eheweib dāya- Gabe, Geschenk, Erbteil, Erbschaft ādi- als Anfang habend, usw. saṃpadaḥ nom m sg versehen mit
yatra yatra bhavet tṛṣṇā,
saṃsāraṃ viddhi tatra vai |
prauḍha-vairāgyam āśritya
vīta-tṛṣṇaḥ sukhī bhava || 10.3 ||
Wo auch immer Durst ist, dort wisse auch Samsāra, das Elend des weltlichen Daseins. Nimm Zuflucht zur vollständigen Leidenschaftslosigkeit und, befreit vom Durst, sei glücklich.
yatra yatra wo auch immer bhavet 3 sg optativ es sei tṛṣṇā nom f sg Durchst, Verlangen saṃsāram nom m sg das weltliche Dasein viddhi 2 sg imperativ wisse tatra dort vai wahrlich prauḍha- vollständig entwickelt, üppig, groß, stark, frech vairāgyam akk n sg Leidenschaftslosigkeit āśritya absolutiv sich angelehnt habend vīta- ppp weggegangen tṛṣṇaḥ nom m sg Durst sukhī nom m sg sich wohl befindend, wohlgedeihend, froh, glücklich bhava 2 sg imperativ sei
tṛṣṇā-mātrātmako bandhas,
tan-nāśo mokṣa ucyate |
bhavāsaṃsakti-mātreṇa
prāpti-tuṣṭir muhur-muhuḥ || 10.4 ||
Das Wesen von Bindung ist allein der Durst. Seine Vernichtung nennt man Befreiung. Nur durch Losgelöstheit von der Welt gibt es glückliche Zufriedenheit wieder und wieder.
tvam ekaś cetanaḥ śuddho
jaḍaṃ viśvam asat tathā |
avidyāpi na kiṃcit sā
kā bubhutsā tathāpi te || 10.5 ||
Du bist der einzigartige reine Wahrnehmende, empfindungslos ist das Weltall und außerdem unwirklich. Selbst das Unwissen, das ist ein Nichts. Welches Verlangen etwas kennen zu lernen könntest du noch haben?
rājyaṃ sutāḥ kalatrāṇi
śarīrāṇi sukhāni ca |
saṃsaktasyāpi naṣṭāni
tava janmani janmani || 10.6 ||
Macht, Kinder, Ehepartner, Körper und Genüsse, auch wenn du daran gehangen hast sind sie dir von Geburt zu Geburt verloren gegangen.,
alam arthena kāmena
sukṛtenāpi karmaṇā |
ebhyaḥ saṃsāra-kāntāre
na viśrāntam abhūn manaḥ || 10.7 ||
Genug des weltlichem Erfolgs, der Sinnesgenüsse und selbst der verdienstvollen Taten. Durch diese ist der denkende Geist im Dschungel des Samsāra nicht zur Ruhe gekommen.
kṛtaṃ na kati janmāni
kāyena manasā girā |
duḥkham āyāsadaṃ karma
tad adyāpy uparamyatām || 10.8 ||
Wie viele Leben hast du nicht mit Körper, Geist und Stimme unangenehme, ermüdende Arbeit verrichtet? Höre doch bitte noch heute damit auf.
gurur uvāca |
bhāvābhāva-vikāraś ca
sva-bhāvād iti niścayī |
nirvikāro gata-kleśaḥ
sukhenaivopaśāmyati || 11.1 ||
Wer überzeugt ist, dass Entstehen, Vergehen und Veränderung durch die den Dingen innewohnende Natur geschehen, der bleibt in sich frei von Veränderung, die Plagen sind von ihm gewichen, mit Leichtigkeit kommt er zur Ruhe.
īśvaraḥ sarva-nirmātā
nehānya iti niścayī |
antar-galita-sarvāśaḥ
śāntaḥ kvāpi na sajjate || 11.2 ||
Wer überzeugt ist, dass der göttliche Gebieter Urheber von allem ist und dass hier niemand sonst ist, von dessen Innerem sind alle Hoffnungen abgetropft, er ist still geworden und haftet an gar nichts mehr.
āpadaḥ saṃpadaḥ kāle
daivād eveti niścayī |
tṛptaḥ svasthendriyo nityaṃ
na vāñchati na śocati || 11.3 ||
Wer überzeugt ist, dass Unfälle und Glücksfälle zum jeweiligen Zeitpunkt durch göttliche Fügung entstehen, der ist stets zufrieden, seine Sinne ruhen im eigenen Selbst, er begehrt nichts und bedauert nichts.
sukha-duḥkhe janma-mṛtyū
daivād eveti niścayī |
sādhyādarśī nirāyāsaḥ
kurvann api na lipyate || 11.4 ||
Wer überzeugt ist, dass Freude und Leid, Geburt und Tod, durch göttliche Fügung entstehen, der erblickt nichts, was es zu erreichen gilt, er ist frei von Anstrengung, und selbst wenn er handelt, wird er nicht befleckt.
cintayā jāyate duḥkhaṃ
nānyatheheti niścayī |
tayā hīnaḥ sukhī śāntaḥ
sarvatra galita-spṛhaḥ || 11.5 ||
Wer überzeugt ist, dass nur durch Gedanken Leid entsteht und durch nichts anderes in dieser Welt, der ist, wenn ihn diese verlassen haben, glücklich und friedvoll und überall ohne Verlangen.
nāhaṃ deho na me deho
bodho 'ham iti niścayī |
kaivalyam iva saṃprāpto
na smaraty akṛtaṃ kṛtam || 11.6 ||
„Nicht bin ich der Körper noch ist der Körper mein, erleuchtete Einsicht bin ich.“ Wer davon überzeugt ist, hat gewissermaßen schon die Befreiung erreicht und erinnert sich nicht mehr wehmütig an „Getan und Nichtgetan“.
ā-brahma-stamba-paryantam
aham eveti niścayī |
nirvikalpaḥ śuciḥ śāntaḥ
prāptāprāpta-vinirvṛtaḥ || 11.7 ||
„Vom Weltenschöpfer bis zum Grasbüschel bin alles nur ich,“ wer davon überzeugt ist, der ist frei von allen Zweifeln, geläutert, geistig still und unberührt von erreicht und nicht erreicht.
nānāścaryam idaṃ viśvaṃ
na kiṃcid iti niścayī |
nirvāsanaḥ sphūrti-mātro
na kiṃcid iva śāmyati || 11.8 ||
Wer überzeugt ist, dass dieses Weltall voller Wunder das reine Nichts ist, der kommt zur Ruhe, er ist frei von verborgenen Wünschen, er ist – wie ein Nichts – nur eine vergehende Erscheinung.
gurur uvāca |
kāya-kṛtyāsahaḥ pūrvaṃ
tato vāg-vistarāsahaḥ |
atha cintāsahas tasmād
evam evāham āsthitaḥ || 12.1 ||
Der Lehrer
Zuerst verlor ich die Geduld mit dem das körperlich alles zu tun ist, dann mit der Weitschweifigkeit der Sprache, anschließend konnte ich meine Gedanken nicht mehr ertragen, deshalb bin ich in diesen Zustand geraten, in dem ich mich befinde.
prīty-abhāvena śabdāder
adṛśyatvena cātmanaḥ |
vikṣepaikāgra-hṛdaya
evam evāhaṃ āsthitaḥ || 12.2 ||
Da ich keine Befriedigung in Klängen und anderen Sinnesreizen finde und da mein Selbst nicht sinnlich wahrnehmbar ist, ist mein Herz auch bei Unaufmerksamkeit auf einen Punkt gerichtet. So bin ich in diesen Zustand gekommen, in dem ich mich befinde.
samādhyāsādi-vikṣiptau
vyavahāraḥ samādhaye |
evaṃ vilokya niyamam
evam evāham āsthitaḥ || 12.3 ||
Sich gleich zu bleiben bei Unaufmerksamkeit durch gedankliche Überlagerungen auf das wahre Wesen und dergleichen ist das Verfahren für Samādhi. Nachdem ich diesen Zusammenhang erkannte, bin ich in diesen Zustand gelangt, in dem ich mich befinde.
heyopādeya-virahād
evaṃ harṣa-viṣādayoḥ |
abhāvād adya he brahmann
evam evāham āsthitaḥ || 12.4 ||
Weil ohne Idee von ablehnens- oder erlangenswert, und deshalb ohne freudige Erregung oder Verzweiflung, bin ich, oh du Brahmane, in diesen Zustand gelangt, in dem ich mich befinde.
āśramānāśramaṃ dhyānaṃ
citta-svī-kṛta-varjanam |
vikalpaṃ mama vīkṣyaitair
evam evāham āsthitaḥ || 12.5 ||
Lebensstadium oder kein Lebensstadium, Meditation oder das Aufgeben aller Geistestätigkeiten, nachdem ich durch diese Fragen erblickte, das dies meine Einbildung ist, bin ich in diesen Zustand gelangt, in dem ich mich befinde.
karmānuṣṭhānam ajñānād
yathaivoparamas tathā |
buddhvā saṃyag idaṃ tattvam
evam evāham āsthitaḥ || 12.6 ||
Das Verrichten von Tätigkeiten geschieht durch Unwissenheit, ebenso wie deren Unterlassung. Nachdem ich diese Wahrheit richtig verstanden hatte, bin ich in diesen Zustand gelangt, in dem ich mich befinde.
acintyaṃ cintyamāno 'pi
cintā-rūpaṃ bhajaty asau |
tyaktvā tad-bhāvanaṃ tasmād
evam evāham āsthitaḥ || 12.7 ||
Auch wer über das Undenkbare nachsinnt, betreibt eine Form von Denken. Weil ich diese Art von Meditation losgelassen habe, bin ich in den Zustand gelangt, in dem ich mich befinde.
evam eva kṛtaṃ yena
sa kṛtārtho bhaved asau |
evam eva svabhāvo yaḥ
sa kṛtārtho bhaved asau || 12.8 ||
Wer ebenso vorgegangen ist, der hat wohl sein Ziel erreicht. Wer in einem ebensolchen Daseinszustand ist, der hat wohl sein Zeil erreicht.
gurur uvāca |
akiṃcana-bhavaṃ svāsthyaṃ
kaupīnatve 'pi durlabham |
tyāgādāne vihāyāsmād
aham āse yathā-sukham || 13.1 ||
Der Lehrer
Das Wohlbehagen, das aus Besitzlosigkeit entsteht, ist selbst für Lendenschurzträger schwer erlangbar. Nachdem ich Loslassen und An-mich-greifen aufgegeben habe, lebe ich angenehm glücklich.
kutrāpi khedaḥ kāyasya
jihvā kutrāpi khidyate |
manaḥ kutrāpi tat tyaktvā
puruṣārthe sthitaḥ sukham || 13.2 ||
Irgendwo gibt es eine Beschwerde im Körper, irgendwo schmerzt die Zunge, irgendwo der Geist. Nachdem ich das losgelassen habe, verweile ich glücklich im Reichtum meines Wesens.
kṛtaṃ kim api naiva syād
iti saṃcintya tattvataḥ |
yadā yat kartum āyāti
tat kṛtvāse yathā-sukham || 13.3 ||
„Überhaupt nichts wird von einem getan“, indem ich so bedenke wie es sich in Wahrheit verhält, wenn etwas zu tun an mich herantritt und ich es erledige, lebe ich angenehm glücklich.
karma-naiṣkarmya-nirbandha-
bhāvā deha-stha-yoginaḥ |
saṅgāt saṃyoga-virahād
aham āse yathā-sukham || 13.4 ||
Die in ihrer Körperlichkeit stehenden Yogis haben die Einstellung, entweder auf Tätigkeiten oder auf Tatenlosigkeit zu beharren. Das ist durch Verhaftung so. Durch Abwesenheit solcher Bindungen lebe ich angenehm glücklich.
arthānarthau na me sthityā
gatyā na śayanena vā |
tiṣṭhan gacchan svapan tasmād
aham āse yathā-sukham || 13.5 ||
Kein Vorteil oder Nachteil kommt mir durch Stehen, Gehen oder Liegen. Deshalb lebe ich stehend, gehend und schlafend angenehm glücklich
svapato nāsti me hāniḥ
siddhir yatnavato na vā |
nāśollāsau vihāyāsmād
aham āse yathā-sukham || 13.6 ||
Durch Schlafen gibt es für mich keinen Verlust, noch gibt es glücklichen Erfolg durch Anstrengung. Weil ich Verlust und Gewinn aufgegeben habe, lebe ich angenehm glücklich
sukhādi-rūpāniyamaṃ
bhāveṣv ālokya bhūriśaḥ |
śubhāśubhe vihāyāsmād
aham āse yathā-sukham || 13.7 ||
Nachdem ich wiederholt die Wankelmütigkeit der Gestalt des Glücks usw. bei den Wesen beobachtet habe, habe ich gut und schlecht verworfen. Deshalb lebe ich angenehm glücklich.
śiṣya uvāca |
prakṛtyā śūnya-citto yaḥ
pramādād bhāva-bhāvanaḥ |
nidrito bodhita iva
kṣīṇa-saṃsmaraṇo hi saḥ || 14.1 ||
Der Schüler
Wer an und für sich schon leeren Geistes ist und nur aus Unachtsamkeit an Geschaffenes denkt, der ist, selbst schlafend, wie erwacht, denn sein Nachsinnen über-Dinge hat sich erschöpft.
kva dhanāni kva mitrāṇi
kva me viṣaya-dasyavaḥ |
kva śāstraṃ kva ca vijñānaṃ
yadā me galitā spṛhā || 14.2 ||
Wo gibt es für mich Besitz, wo Freunde, wo die Aufmerksamkeit raubende Sinneserfahrungen, wo Gelehrsamkeit, wo weltliches Wissen, wenn der Durst von mir gewichen ist,
vijñāte sākṣi-puruṣe
paramātmani ceśvare |
nairāśye bandha-mokṣe ca
na cintā muktaye mama || 14.3 ||
Habe ich den Zeugen meiner Erfahrung, das Eigentliche in mir, erkannt, welches das höchste Selbst und der Herr ist, und bin ich wunschlos gegenüber Bindung und Befreiung, dann betrifft mich die Sorge über die Befreiung nicht mehr.
antar-vikalpa-śūnyasya
bahiḥ sva-cchanda-cāriṇaḥ |
bhrāntasyeva daśās tās tās
tādṛśā eva jānate || 14.4 ||
Den Zustand dessen, der im Innern ohne falsche Vorstellungen ist, nach außen aber entsprechend dem eigenem Gutdünken wie ein im Irrtum Lebender verfährt, diesen Zustand verstehen nur diejenigen, die ihm vergleichbar sind.
gurur uvāca |
yathā-tathopadeśena
kṛtārthaḥ sattva-buddhimān |
ājīvam api jijñāsuḥ
paras tatra vimuhyati || 15.1 ||
Der Lehrer
Durch richtige Unterweisung kommt derjenige zum Ziel, der sattvische Einsicht hat. Andere geraten dabei in Verwirrung, selbst wenn sie sich zeitlebens um Erkenntnis bemühen.
mokṣo viṣaya-vairasyaṃ
bandho vaiṣayiko rasaḥ |
etāvad eva vijñānaṃ
yathecchasi tathā kuru || 15.2 ||
Befreiung bedeutet kein Verlangen nach Sinneserfahrungen zu haben, Bindung bedeutet, dass das Verlangen auf die Sinnenwelt gerichtet ist. Um das zu verstehen reicht schon gewöhnliches Verständnis aus. Nun handle wie es dir beliebt.
vāgmi-prājña-mahodyogaṃ
janaṃ mūka-jaḍālasam |
karoti tattva-bodho 'yam
atas tyakto bubhukṣubhiḥ || 15.3 ||
Diese Erkenntnis der Wahrheit macht redegewandte, intelligente, tatkräftige Menschen zu stummen, einfältigen, ohne Tatendrang. Deshalb wird sie verworfen von denjenigen, die nach weltlichem Genuss verlangen.
na tvaṃ deho na te deho
bhoktā kartā na vā bhavān |
cid-rūpo 'si sadā sākṣī
nirapekṣaḥ sukhaṃ cara || 15.4 ||
Du bist nicht der Körper noch ist der Körper dein, noch bist du Genießender oder Handelnder. Reines Bewusstsein ist dein Wesen, du bist der ewige Zeuge, unabhängig von allem. Wandle glücklich dahin.
rāga-dveṣau mano-dharmau
na manas te kadācana |
nirvikalpo 'si bodhātmā
nirvikāraḥ sukhaṃ cara || 15.5 ||
Verlangen und Widerwillen sind Eigenschaften des Gemüts. Das Gemüt ist niemals deins. Frei von Vorstellungen bist du, vom Wesen erleuchteter Einsicht, unveränderlich. Wandle glücklich dahin!
sarva-bhūteṣu cātmānaṃ
sarva-bhūtāni cātmani |
vijñāya nirahaṃkāro
nirmamas tvaṃ sukhī bhava || 15.6 ||
Erkenne dein Selbst in allen Wesen und alle Wesen in deinem Selbst. Sei frei von Ego-Gedanken und Besitzempfinden und so sei glücklich
viṣvaṃ sphurati yatredaṃ
taraṅgā iva sāgare |
tat tvam eva na saṃdehaś
cin-mūrte vijvaro bhava || 15.7 ||
Worin das All aufblinkt wie Wellen im Ozean, das bist tatsächlich du, ohne Zweifel. Oh du Verkörperung reinen Bewusstseins, sei frei vom Fieber.
śraddhatsva tāta śraddhatsva
nātra mohaṃ kuruṣva bhoḥ |
jñāna-svarūpo bhagavān
ātmā tvaṃ prakṛteḥ paraḥ || 15.8 ||
Glaube, mein Lieber, glaube, und bringe dich hier nicht in Verwirrung, Erkenntnis ist deine Eigengestalt, das erhabene göttliche Selbst bist du, jenseits der Natur.
guṇaiḥ saṃveṣṭito dehas
tiṣṭhaty āyāti yāti ca |
ātmā na gantā nāgantā
kim enam anuśocasi || 15.9 ||
Der mit Eigenschaften versehene Körper besteht, entsteht und vergeht. Das Selbst kommt weder noch geht es. Wieso also betrauerst du jenen?
dehas tiṣṭhatu kalpāntaṃ
gacchatv adyaiva vā punaḥ |
kva vṛddhiḥ kva ca vā hānis
tava cin-mātra-rūpiṇaḥ || 15.10 ||
Mag der Körper bis ans Ende der Schöpfung bestehen oder mag er noch heute vergehen, wo gäbe es Gewinn oder wo gäbe es Verlust für dich, dessen Wesensgestalt nichts als reines Bewusstsein ist.
tvayy ananta-mahāmbhodhau
viśva-vīciḥ sva-bhāvataḥ |
udetu vāstam āyātu
na te vṛddhir na vā kṣatiḥ || 15.11 ||
In dir, dem unendlich großen Ozean, lass doch die Welle, die das Universum ist, von selbst aufkommen oder untergehen. Das ist für dich weder ein Gewinn noch Verlust.
tāta cin-mātra-rūpo 'si
na te bhinnam idaṃ jagat |
ataḥ kasya kathaṃ kutra
heyopādeya-kalpanā || 15.12 ||
Mein Lieber, deine Natur ist nichts als reines Bewusstsein, dieses Universum ist nicht getrennt von dir, also für wen, wie und wo gäbe es die Wahnvorstellung etwas ablehnens- oder erlangenswert zu finden?
ekasminn avyaye śānte
cid-ākāśe 'male tvayi |
kuto janma kutaḥ karma
kuto 'haṃkāra eva ca || 15.13 ||
In dir, dem einzigartigen, unvergänglichen, dem Friedvollen, dessen Bewusstsein wie der allumfassende Raum ist, dem Unbeflekten, woher käme Geburt, woher Karma und woher überhaupt ein Ego-Gefühl?
yat tvaṃ paśyasi tatraikas
tvam eva pratibhāsase |
kiṃ pṛthak bhāsate svarṇāt
kaṭakāṅgada-nūpuram || 15.14 ||
Das, was du da siehst, bist einzig nur du, der in seinem eigenen Glanz leuchtet. Glänzt etwa ein Goldarmband, Oberarmschmuck oder Fußreif ohne Gold?
ayaṃ so 'ham ayam nāhaṃ
vibhāgam iti saṃtyaja |
sarvam ātmeti niścitya
niḥsaṃkalpaḥ sukhī bhava || 15.15 ||
Nachdem du die Unterscheidung aufgegeben hast von „dies bin ich, das bin ich nicht“ und die feste Überzeugung gebildet hast, „dies alles ist mein Selbst“, sei – eigenwillenlos – glücklich.
tavaivājñānato viśvaṃ
tvam ekaḥ paramārthataḥ |
tvatto 'nyo nāsti saṃsārī
nāsaṃsārī ca kaś cana || 15.16 ||
Nur durch dein Unwissen besteht das Weltall, in Wirklichkeit bist du der einzige. Nichts gibt es außer dir, weder irgendeinen in Weltlichkeit Verstrickten noch einen Nichtverstrickten.
bhrānti-mātram idaṃ viśvaṃ
na kiṃcid iti niścayī |
nirvāsanaḥ sphūrti-mātro
na kiṃcid iva śāmyati || 15.17 ||
Bloße Verwirrung ist dieses Weltall, es ist ein Nichts. Mit dieser festen Überzeugung, frei von im Geist wohnenden Begierden, ein bloßes Offenbarwerden seiend, wie ein Nichts, gelangt man zum Frieden.
eka eva bhavāmbhodhāv
āsīd asti bhaviṣyati |
na te bandho 'sti mokṣo vā
kṛta-kṛtyaḥ sukhaṃ cara || 15.18 ||
Nur ein einziger war, ist und wird im Weltenozean sein. Weder gebunden bist du noch frei. Du hast getan was zu tun war, wandle glücklich dahin.
mā saṃkalpa-vikalpābhyāṃ
cittaṃ kṣobhaya cin-maya |
upaśāmya sukhaṃ tiṣṭha
svātmany ānanda-vigrahe || 15.19 ||
Oh du aus reinem Bewusstsein bestehender, versetze deinen Geist nicht durch Entschlüsse oder Entschlusslosigkeit in Aufregung. Nachdem du zur Ruhe gekommen bist, verbliebe glücklich in deinem eigenen Selbst in Glückseligkeitsgestalt.
tyajaiva dhyānaṃ sarvatra
mā kiṃcid dhṛdi dhāraya |
ātmā tvaṃ mukta evāsi
kiṃ vimṛśya kariṣyasi || 15.20 ||
Lass die Meditationsbemühung überall los, halte gar nichts im Herzen. Du bist das Selbst, ewig frei, was willst du mit Betrachtungen bewirken?
gurur uvāca |
ācakṣva śṛṇu vā tāta
nānā-śāstrāṇy-anekaśaḥ |
tathāpi na tava svāsthyaṃ
sarva-vismaraṇād ṛte || 16.1 ||
Rezitiere oder höre, mein Lieber, die verschiedenen Lehrwerke zahllose Male, trotzdem wirst du kein Wohlbefinden erlagen ohne alles zu vergessen.
bhogaṃ karma samādhiṃ vā
kuru vijña tathāpi te |
cittaṃ nirasta-sarvāśam
atyarthaṃ rocayiṣyati || 16.2 ||
Richte dich auf Genuss, Aktivitäten oder Samādhi aus, du Kluger, trotzdem wird dein Geist erst dann über alle Maßen leuchten, wenn du alle Hoffnungen verstoßen hast.
āyāsāt sakalo duḥkhī
nainaṃ jānāti kaścana |
anenaivopadeśena
dhanyaḥ prāpnoti nirvṛtim || 16.3 ||
Jeder ist unglücklich durch Stress, den niemand durchschaut. Schon durch diese Unterweisung erreicht der Glückliche innere Zufriedenheit.
vyāpāre khidyate yas tu
nimeṣonmeṣayor api |
tasyālasya-dhurīṇasya
sukhaṃ nānyasya kasya cit || 16.4 ||
Wer aber schon bei der Tätigkeit, die Augen zu schließen und aufzuschlagen, Mühe empfindet, diesem Anführer der Tatendranglosen gehört das Glück und niemandem sonst.
idaṃ kṛtam idaṃ neti
dvandvair muktaṃ yadā manaḥ |
dharmārtha-kāma-mokṣeṣu
nirapekṣaṃ tadā bhavet || 16.5 ||
Wenn das Gemüt sich befreit hat vom Gegensatzpaar des „dies ist getan und das nicht“, dann wird es auch gleichgültig gegenüber Pflicht, Gewinn, Genuss, Befreiung.
virakto viṣaya-dveṣṭā
rāgī viṣaya-lolupaḥ |
graha-mokṣa-vihīnas tu
na virakto na rāgavān || 16.6 ||
Der Entsager empfindet Widerwillen gegenüber der Sinnenwelt, der von Leidenschaft ergriffene ist gierig nach ihr, wer aber frei davon ist, etwas zu ergreifen oder sich von etwas zu befreien, der ist weder Entsager noch der Leidenschaft unterworfen.
heyopādeyatā tāvat
saṃsāra-viṭapāṅkuraḥ |
spṛhā jīvati yāvad vai
nirvicāra-daśāspadam || 16.7 ||
Solange das Verlangen lebt und man über den eigenen Zustand nicht prüfend nachdenkt, so lange gibt es Ranken und Sprösslinge des weltlichen Daseins, nämlich etwas ablehnenswert oder begehrenswert zu finden.
pravṛttau jāyate rāgo
nivṛttau dveṣa eva hi |
nirdvandvo bālavad dhīmān
evam eva vyavasthitaḥ || 16.8 ||
Verlangen nach etwas entsteht wenn man sich nach außen richtet, Abneigung entsteht wenn man Enthaltsamkeit wählt. Der Weise ist frei von diesen Gegensatzpaaren, wie ein Kind, auf diese Art und Weise verbleibt er.
hātum icchati saṃsāraṃ
rāgī duḥkha-jihāsayā |
vīta-rāgo hi nirduḥkhas
tasminn api na khidyati || 16.9 ||
Um das Leid loszuwerden möchte der in Verlangen Gefangene das weltliche Dasein verlassen. Derjenige aber, von dem das Verlangen gegangen ist, ist frei von Leid, und selbst wenn er sich darin befindet, verspürt er keine Qual.
yasyābhimāno mokṣe 'pi
dehe 'pi mamatā tathā |
na ca jñānī na vā yogī
kevalaṃ duḥkhabhāg asau || 16.10 ||
Wer auf seine Befreiung stolz ist, oder auf seinen Körper oder seinen Besitz, der ist weder ein Jñāni noch ein Yogi. Er ist einzig einer der Anteil am Leid hat.
gurur uvāca |
tena jñāna-phalaṃ prāptaṃ
yogābhyāsa-phalaṃ tathā |
tṛptaḥ svacchendriyo nityam
ekākī ramate tu yaḥ || 17.1 ||
Derjenige hat die Frucht der Erkenntnis und die Frucht der Yogapraxis erlangt, der mit geläuterten Sinnen stets zufrieden und gern in seiner Alleinzigkeit verweilt.
na kadā cij jagaty asmiṃs
tattva-jño hanta khidyati |
yata ekena tenedaṃ
pūrṇaṃ brahmāṇḍa-maṇḍalam || 17.2 ||
Nie fühlt sich der Wahrheitskenner in dieser Welt bedrückt, denn die ganze Welt um ihn herum ist von ihm allein erfüllt.
na jātu viṣayāḥ ke 'pi
svārāmaṃ harṣayanty amī |
sallakī-pallava-prītam
ivebhaṃ nimba-pallavāḥ || 17.3 ||
Diejenigen, die im eigenen Selbst zufrieden sind, sind nie freudig erregt über welche Sinnesobjekte auch immer, so wie die bitteren Schösslingen des Nimba-Baumes den Elefanten nicht reizen, der die jungen Zweige des Weihrauchbaumes liebt.
yas tu bhogeṣu bhukteṣu
na bhavaty adhivāsitaḥ |
abhukteṣu nirākāṅkṣī
tādṛśo bhava durlabhaḥ || 17.4 ||
Wer nun von genossenen Sinnesfreuden nicht geistig gefärbt ist und kein Verlangen nach noch nicht Genossenem hat, der ist schwer zu finden. Sei ein solcher!
bubhukṣur iha saṃsāre
mumukṣur api dṛśyate |
bhoga-mokṣa-nirākāṅkṣī
viralo hi mahāśayaḥ || 17.5 ||
Hier im Elend des weltlichen Daseins sieht man den Genuss Suchenden als auch den Befreiung Suchenden. Wer aber weder nach Genuss noch nach Befreiung verlangt, ein solch Edler ist wahrlich selten.
dharmārtha-kāma-mokṣeṣu
jīvite maraṇe tathā |
kasyāpy udāra-cittasya
heyopādeyatā na hi || 17.6 ||
In Pflichterfüllung, Gewinn, Vergnügen, Befreiung, im Leben sowie im Sterben gibt es für jemanden, der einen erhabenem Geist hat, keine Vorstellung von ergreifens- und ablehnenswert.
vāñchā na viśva-vilaye
na dveṣas tasya ca sthitau |
yathā jīvikayā tasmād
dhanya āste yathā-sukham || 17.7 ||
Ohne Wunsch nach dem Verschwinden des Universums und ohne Abneigung gegen sein Bestehen, so lebt der Gesegnete glücklich vom Lebensunterhalt wie der gerade kommt.
kṛtārtho 'nena jñānenety
evaṃ galita-dhīḥ kṛtī |
paśyan śṛṇvan spṛśañ jighrann
aśnann āste yathā-sukham || 17.8 ||
Im Wissen, dass er durch diese Erkenntnis sein Ziel erreicht hat, lebt der Vollendete, von dem das Denken abgefallen ist, sehend, hörend, spürend, riechend, schmeckend, im Glück.
śūnyā dṛṣṭir vṛthā ceṣṭā
vikalānīndriyāṇi ca |
na spṛhā na viraktir vā
kṣīṇa-saṃsāra-sāgare || 17.9 ||
Mit leerem Blick, tätig seiend wie es sich zufällig fügt, mit mangelhaftem sinnlichen Verlangen, weder Begehren noch Gleichgültigkeit habend, in einem solchen ist der Ozean des Elends der Welt versiegt.
na jagarti na nidrāti
nonmīlati na mīlati |
aho para-daśā kvāpi
vartate mukta-cetasaḥ || 17.10 ||
Nicht wacht er, nicht schläft er, er öffnet nicht die Augen noch schließt er sie. Oh, wo auch immer er sich befindet, lebt derjenige mit befreitem Bewusstsein im höchsten Zustand.
sarvatra dṛśyate sva-sthaḥ
sarvatra vimalāśayaḥ |
samasta-vāsanā-mukto
muktaḥ sarvatra rājate || 17.11 ||
Überall erweist er sich als in seinem natürlichem Zustand befindlich, überall ist sein Harz rein, von allen schlafenden Wünschen hat sich sein Geist gelöst, so glänzt der Befreite überall wie ein König.
paśyan śṛṇvan spṛśan jighrann
aśnan gṛhṇan vadan vrajan |
īhitānīhitair mukto
mukta eva mahāśayaḥ || 17.12 ||
Beim Sehen, Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken, Greifen, Reden, Gehen ist er ohne Idee von erstrebens- und nicht erstrebenswert, wahrlich der Befreite ist überaus edel.
na nindati na ca stauti
na hṛṣyati na kupyati |
na dadāti na gṛhṇāti
muktaḥ sarvatra nīrasaḥ || 17.13 ||
Er kritisiert nicht, er lobt nicht, er ist nicht freudig erregt, er ärgert sich nicht, er gibt nicht, er nimmt nicht, der Befreite ist überall ohne Geschmack an den Dingen.
sānurāgāṃ striyaṃ dṛṣṭvā
mṛtyuṃ vā samupasthitam |
avihvala-manāḥ sva-stho
mukta eva mahāśayaḥ || 17.14 ||
Sieht er eine in ihn verliebte Frau oder ist der Tod zu ihm herangekommen, bleibt der Befreite in seinem natürlichen Zustand, unverwirrten Gemüts, wahrlich überaus edel.
sukhe duḥkhe nare nāryāṃ
saṃpatsu ca vipatsu ca |
viśeṣo naiva dhīrasya
sarvatra sama-darśinaḥ || 17.15 ||
Zwischen Angenehmem und Unangenehmen, zwischen Mann und Frau, zwischen Gelingen und Misslingen gibt es für den Gefestigten keinen Unterschied, überall erblickt er dasselbe.
na hiṃsā naiva kāruṇyaṃ
nauddhatyaṃ na ca dīnatā |
nāścaryaṃ naiva ca kṣobhaḥ
kṣīṇa-saṃsaraṇe nare || 17.16 ||
In dem Menschen, für den das Elend des weltlichen Daseins verschwunden ist, in dem ist keine Schädigung, keine KIäglichkeit, keine Eingebildetheit, keine Kleinlichkeit, keine Verwunderung, und keine Unruhe.
na mukto viṣaya-dveṣṭā
na vā viṣaya-lolupaḥ |
asaṃsakta-manā nityaṃ
prāptāprāptam upāśnute || 17.17 ||
Der Befreite ist den Sinnendingen weder abgeneigt noch begehrt er nach Sinnendingen. Während er manches erlangt und manches nicht erlangt, ist sein Gemüt stets unverhaftet.
samādhānāsamādhāna- |
hitāhita-vikalpanāḥ
śūnya-citto na jānāti || 17.18 ||
Die Unterscheidung von meditativer Andacht und Andachtslosigkeit, von günstig und nachteilig kennt er nicht, er, dessen Geist leer ist. In der Alleinheit verweilt er nämlich.
nirmamo nirahaṃkāro
na kiṃcid iti niścitaḥ |
antar-galita-sarvāśaḥ
kurvann api na lipyate || 17.19 ||
Ohne Besitzgefühl, frei von Egoismus, überzeugt dass nichts existiert, von wessen Inneren alle Hoffnungen abgetropft sind, der wird er nicht befleckt, selbst wenn er handelt.
manaḥ-prakāśa-sammoha-
svapna-jāḍya-vivarjitaḥ |
daśāṃ kām api saṃprāpto
bhaved galita-mānasaḥ || 17.20 ||
Wessen Gemüt frei ist von Erleuchtung, Verblendung, Traumschlaf, Lethargie, dieser, dessen Denken verschwunden ist, der dürfte eine ganz ungewöhnliche Lebenslage erlangt haben.
gurur uvāca |
yasya bodhodaye tāvat
svapnavad bhavati bhramaḥ |
tasmai sukhaika-rūpāya
namaḥ śāntāya tejase || 18.1 ||
Verneigung dem, für den beim Hervorbrechen des Erwachens sein bisheriger Irrtum wie ein Traum vorkommt , der einzig das Glück als Natur hat, dem zum Frieden gelangten, dem Strahlenden.
arjayitvākhilān arthān
bhogān āpnoti puṣkalān |
na hi sarva-parityāgam
antareṇa sukhī bhavet || 18.2 ||
Nachdem man sich lückenlose Vorteile verschafft hat, erlangt man beachtliche Genüsse. Allerdings wird man nicht glücklich ohne sie alle aufzugeben,.
kartavya-duḥkha-mārtaṇḍa-
jvālā-dagdhāntarātmanaḥ |
kutaḥ praśama-pīyūṣa-
dhārā-sāram ṛte sukham || 18.3 ||
Für denjenigen, dessen inneres Wesen verbrannt ist von den Sonnenflammen der Qual seiner Aufgaben, woher könnte für ihn das Glück kommen, ohne einen heftigen Guss von der Sahne der Gemütsruhe?
bhavo 'yaṃ bhāvanā-mātro
na kiṃ cit paramārthataḥ |
nāsty abhāvaḥ sva-bhāvānāṃ
bhāvābhāva-vibhāvinām || 18.4 ||
Diese Welt ist nur Einbildung, in letzter Wirklichkeit ist sie ein Nichts. Das Nichtdasein gilt nicht für dein eigenes Wesen, welches Entstehen und Vergehen hervorruft.
na dūraṃ na ca saṃkocāl
labdham evātmanaḥ padam |
nirvikalpaṃ nirāyāsaṃ
nirvikāraṃ nirañjanam || 18.5 ||
Weder in der Ferne noch indem man sich in sich zusammenzieht wird die Stätte des Ātmans erlangt, die jenseits der Objekt-Subjet-Unterscheidung ist, anstregungslos, veränderungslos, unbefleckt.
vyāmoha-mātra-viratau
svarūpādāna-mātrataḥ |
vītaśokā virājante
nirāvaraṇa-dṛṣṭayaḥ || 18.6 ||
Unmittelbar beim Ende der Verblendung, allein durch das bloße Erfassen des eigenen Wesens, erstrahlen diejenigen, deren Blick ungetrübt ist. Sie sind befreit vom Kummer.
samastaṃ kalpanā-mātram
ātmā muktaḥ sanātanaḥ |
iti vijñāya dhīro hi
kim abhyasyati bālavat || 18.7 ||
Der Weise, der verwirklicht hat, dass das ganze All nur Einbildung ist und sein Selbst ewig befreit ist, studiert er denn noch wie ein Törichter?
ātmā brahmeti niścitya
bhāvābhāvau ca kalpitau |
niṣkāmaḥ kiṃ vijānāti
kiṃ brūte ca karoti kiṃ || 18.8 ||
Überzeugt, dass sein Selbst Brahman ist und dass Werden und Vergehen in der Einbildung geschehen, was nimmt dieser Wunschlose wahr, was sagt er, was tut er?
ayaṃ so 'ham ayaṃ nāham
iti kṣīṇā vikalpanāḥ |
sarvam ātmeti niścitya
tūṣṇīṃ-bhūtasya yoginaḥ || 18.9 ||
„Dieser hier, der bin ich, jener bin ich nicht,“ zerstört sind solche Wahnvorstellungen für den schweigend gewordenen Yogi, der überzeugt ist, dass alles sein Selbst ist.
na vikṣepo na caikāgryaṃ
nātibodho na mūḍhatā |
na sukhaṃ na ca vā duḥkham
upaśāntasya yoginaḥ || 18.10 ||
Nicht Zerstreutheit, nicht auf einen Punkt Gerichtetheit, nicht übersinnliche Einsicht, nicht Verblendung, nicht Glück, nicht Leid gelten für den Yogī, der zur inneren Stille gelangt ist.
svārājye bhaikṣa-vṛttau ca
lābhālābhe jane vane |
nirvikalpa-svabhāvasya
na viśeṣo 'sti yoginaḥ || 18.11 ||
Unabhängige Königsherrschaft oder Bettlerdasein, Gewinn oder Verlust, unter Menschen sein oder in Waldeinsamkeit, für den Yogī, dessen Eigenwesen ohne Objekt-Subjekt-Trennung ist, gibt es da keinen Unterschied.
kva dharmaḥ kva ca vā kāmaḥ
kva cārthaḥ kva vivekitā |
idaṃ kṛtam idaṃ neti
dvandvair muktasya yoginaḥ || 18.12 ||
Wo ist Dharma und wo ist Sinnenlust, wo ist geschäftlicher Vorteil, wo ist richtige Unterscheidung für den Yogī, der befreit ist vom Gegensatzpaar des „dies ist getan und das noch nicht“.
kṛtyaṃ kim api naivāsti
na kāpi hṛdi rañjanā |
yathā-jīvanam eveha
jīvan-muktasya yoginaḥ || 18.13 ||
Für den zu Lebzeiten befreiten Yogi gibt es gar nichts zu tun, keinerlei Färbung ist in seinem Herzen während er hier lebt wie es sich ergibt.
kva mohaḥ kva ca vā viśvaṃ
kva tad-dhyānaṃ kva muktatā |
sarva-saṃkalpa-sīmāyāṃ
viśrāntasya mahātmanaḥ || 18.14 ||
Wo ist Verblendung, und wo das Universum, wo spirituelles Nachsinnen, wo Befreiung für den Mahātma, der jenseits allen Eigenwillens zur Ruhe gekommen ist?
yena viśvam idaṃ dṛṣṭaṃ
sa nāstīti karotu vai |
nirvāsanaḥ kiṃ kurute
paśyann api na paśyati || 18.15 ||
Wer dieses Universum sieht, der sollte den Geist darauf richten, dass es gar nicht existiert. Wer aber frei von Vorstellungen ist, was tut der? Obwohl sehend sieht er nicht.
yena dṛṣṭaṃ paraṃ brahma
so 'haṃ brahmeti cintayet |
kiṃ cintayati niścinto
dvitīyaṃ yo na paśyati || 18.16 ||
Wer das höchste Brahman erblickt hat, der sollte über „Ich bin Brahman“ nachdenken. Doch worüber denkt der nach, der frei von Gedanken ist und keinen Anderen mehr erblickt?
dṛṣṭo yenātma-vikṣepo
nirodhaṃ kurute tv asau |
udāras tu na vikṣiptaḥ
sādhyābhāvāt karoti kim || 18.17 ||
Bemerkt man die eigene Unaufmerksamkeit, dann übt man doch Beherrschung. Der Edle aber ist nicht unaufmerksam. Wenn nichts da ist, das es zu erreichen gilt, was soll er tun?
dhīro loka-viparyasto
varttamāno 'pi lokavat |
na samādhiṃ na vikṣepaṃ
na lepaṃ svasya paśyati || 18.18 ||
Der Weise ist der weltlichen Gesellschaft entgegengesetzt, auch wenn er sich wie ein Weltling verhält. Weder die Versenkung, noch Verblendung noch Unreinheit der eigenen Person nimmt er wahr.
bhāvābhāva-vihīno yas
tṛpto nirvāsano budhaḥ |
naiva kiṃcit kṛtaṃ tena
loka-dṛṣṭyā vikurvatā || 18.19 ||
Der Weise, der frei ist von Werden und Vergehen, zufrieden, ohne schlafende Wünsche, von dem wird wahrlich nichts getan, auch wenn er in den Augen der Welt in vielfältiger Weise handelt.
pravṛttau vā nirvṛttau vā
naiva dhīrasya durgrahaḥ |
yadā yat kartum āyāti
tatkṛtvā tiṣṭhataḥ sukham || 18.20 ||
In nach außen gerichteter Aktivität oder beim sich nach innen Richten gibt es keinerlei Unbehagen für den Gefestigten, der im Glück lebt, auch wenn er erledigt was zu Tun an ihn herantritt.
nirvāsano nirālambaḥ
svacchando mukta-bandhanaḥ |
kṣiptaḥ saṃskāra-vātena
ceṣṭate śuṣka-parṇavat || 18.21 ||
Wessen Geist von latenten Wünschen frei ist, der sich auf nichts stützt, der befreit von allen Fesseln seiner Herzenslust folgt, der bewegt sich wie ein trockenes Blatt vom Wind vergangener Eindrücke angestoßen.
asaṃsārasya tu kvāpi
na harṣo na viṣāditā |
sa śītala-manā nityaṃ
videha iva rājate || 18.22 ||
Für den nicht dem Elend des weltlichen Daseins unterliegendem gibt es nirgends freudige Erwartung oder Bestürzendes. Er ist ständig im Geist unaufgeregt, leuchtend wie ein Unverkörperter.
kutrāpi na jihāsāsti
nāśo vāpi na kutracit |
ātmārāmasya dhīrasya
śītalācchatarātmanaḥ || 18.23 ||
Nirgendwo gibt es das Verlangen sich von etwas zu befreien noch irgendwo einen Verlust für den Gefestigten, der in sich selbst Freude findet, dessen Natur frei von Leidenschaft und ganz gereinigt ist.
prakṛtyā śūnya-cittasya
kurvato 'sya yad-ṛcchayā |
prākṛtasyeva dhīrasya
na māno nāvamānatā || 18.24 ||
Für den von Natur aus leeren Geistes, für den, der handelt wie es sich von selbst ergibt, für diesen Gefestigten gibt es anders als für gewöhnliche Menschen weder Ehre noch Schande.
kṛtaṃ dehena karmedaṃ
na mayā śuddha-rūpiṇā |
iti cintānurodhī yaḥ
kurvann api karoti na || 18.25 ||
Wer sich nach dem Gedanken richtet: „Diese Handlung ist vom Körper getan, nicht von mir mit meinem reinen Wesen“, der handelt nicht auch wenn er handelt.
atad-vādīva kurute
na bhaved api bāliśaḥ |
jīvan-muktaḥ sukhī śrīmān
saṃsarann api śobhate || 18.26 ||
Der Befreite handelt wie einer der nicht darüber spricht, doch er ist überhaupt kein Dummkopf. Glücklich und prächtig glänzt er auch während er das Elend des weltlichen Lebens durchläuft.
nānā-vicāra-suśrānto
dhīro viśrāntim āgataḥ |
na kalpate na jānāti
na śṛṇoti na paśyati || 18.27 ||
Der vielfältigen Überlegungen überdrüssig ist der Gefestigte zur Ruhe gekommen. Er denkt nicht, er weiß nicht, er hört nicht, er sieht nicht.
asamādher avikṣepān
na mumukṣur na cetaraḥ |
niścitya kalpitaṃ paśyan
brahmaivāste mahāśayaḥ || 18.28 ||
Da ohne Andacht und ohne Zerstreuung ist er weder ein Befreiungssucher noch etwas anderes. Überzeugt dass das, was er sieht, Phantasiegebilde sind, verweilt dieser Hochgesinnte wahrlich als das Brahman.
yasyāntaḥ syād ahaṅkāro
na karoti karoti saḥ |
nirahaṅkāra-dhīreṇa
na kiṃcid akṛtaṃ kṛtam || 18.29 ||
In wessen Inneren die Ichsucht wohnen darf, der handelt, selbst wenn er nichts tut. Von dem Gefestigten hingegen, der frei von Ichsucht ist, wird nichts getan, auch wenn er handelt.
nodvignaṃ na ca saṃtuṣṭam
akartṛ spanda-varjitam |
nirāśaṃ gata-saṃdehaṃ
cittaṃ muktasya rājate || 18.30 ||
Weder aufgeregt noch sich freuend, untätig, ohne zu Zittern, ohne Erwartungen, frei vom Zweifel, so glänzt der Geist des Befreiten königlich.
nirdhyātuṃ ceṣṭituṃ vāpi
yac-cittaṃ na pravartate |
nirnimittam idaṃ kiṃ tu
nirdhyāyati viceṣṭate || 18.31 ||
So wie sein Geist nicht anfängt zu überlegen oder sich anzustrengen, so überlegt er ohne Motiv dann doch und beginnt zu handeln.
tattvaṃ yathārtham ākarṇya
mandaḥ prāpnoti mūḍhatām |
atha vāyāti saṃkocam
amūḍhaḥ ko 'pi mūḍhavat || 18.32 ||
Der Einfältige gerät in Verwirrung, wenn er hört, wie es sich mit dem wahren Wesen der Dinge verhält. Allerdings zieht sich auch manch Unverwirrter in sich zurück wie ein Verwirrter.
ekāgratā nirodho vā
mūḍhair abhyasyate bhṛśam |
dhīrāḥ kṛtyaṃ na paśyanti
suptavat sva-pade sthitāḥ || 18.33 ||
Verwirrte üben fleißig Einpunktgerichtetheit oder auch Gedankenunterdrückung, die Gefestigten aber finden nicht, dass es etwas zu tun gibt
aprayatnāt prayatnād vā
mūḍho nāpnoti nirvṛtim |
tattva-niścaya-mātreṇa
prājño bhavati nirvṛtaḥ || 18.34 ||
Weder durch Anstrengung noch durch Gleichgültigkeit erreicht der Verwirrte innere Zufriedenheit. Der Einsichtige ist in innerer Zufriedenheit allein schon durch seine Überzeugung vom wahren Wesen der Dinge.
śuddhaṃ buddhaṃ priyaṃ pūrṇaṃ
niṣprapañcaṃ nirāmayam |
ātmānaṃ taṃ na jānanti
tatrābhyāsa-parā janāḥ || 18.35 ||
Dieses reine, erwachte, geliebte, vollkommene, keiner Vielheit unterworfene, makellose Selbst erkennen die Leute nicht, auch wenn sie sich eifrig bedacht damit beschäftigen.
nāpnoti karmaṇā mokṣaṃ
vimūḍho 'bhyāsa-rūpiṇā |
dhanyo vijñāna-mātreṇa
muktas tiṣṭhaty avikriyaḥ || 18.36 ||
Durch Tätigkeit, selbst wenn sie in Anstrengung ausartet, erlangt der Verwirrte nicht die Befreiung. Der Gesegnete hingegen verbleibt tatenlos ohne eine Miene zu verziehen und ist schon durch Erkenntnis befreit.
mūḍho nāpnoti tad brahma
yato bhavitum icchati |
anicchann api dhīro hi
para-brahma-svarūpa-bhāk || 18.37 ||
Der Verwirrte erlangt dieses Brahman nicht, zu dem er werden möchte. Der Gefestigte jedoch, auch ohne es zu wünschen, hat Teil am Wesen des höchsten Brahman.
nirādhārā grahavyagrā
mūḍhāḥ saṃsāra-poṣakāḥ |
etasyānartha-mūlasya
mūla-cchedaḥ kṛto budhaiḥ || 18.38 ||
Haltlos, mit nichts anderem beschäftigt als dem Ergreifen von Dingen, füttern die Verwirrten nur das Elend des Daseins. Die Weisen haben diese Unheilswurzel von der Basis an getilgt.
na śāntiṃ labhate mūḍho
yataḥ śamitum icchati |
dhīras tattvaṃ viniścitya
sarvadā śānta-mānasaḥ || 18.39 ||
Der Verwirrte erlangt keinen Freiden, weil er sich wünscht, zum Frieden zu gelangen. Der Gefestigte, der sich der spirituellen Wahrheit gewiss ist, ist immer von friedvollem Geist.
kvātmano darśanaṃ tasya
yad dṛṣṭam avalambate |
dhīrās taṃ taṃ na paśyanti
paśyanty ātmānam avyayam || 18.40 ||
Wo ist die Vision des Ātmans für den, der sich ans Sichtbare klammert? Die Gefestigten sehen nicht diesen oder jenes, sie sehen den unvergänglichen Ātman
kva nirodho vimūḍhasya
yo nirbandhaṃ karoti vai |
svārāmasyaiva dhīrasya
sarvadāsāv akṛtrimaḥ || 18.41 ||
Wo gibt es Geistesstille für den Verwirrten auch wenn er danach drängt? Für den in sich selbst zufriedenen Gefestigten besteht diese überall ganz natürlich.
bhāvasya bhāvakaḥ kaścin
na kiṃcid bhāvako 'paraḥ |
ubhayābhāvakaḥ kaścid
evam eva nirākulaḥ || 18.42 ||
Mancher bildet sich ein, das Dinge bestehen, ein anderer bildet sich ein, dass nichts besteht. Wer auch immer sich keins von beiden einbildet, der kommt zur inneren Klarheit.
śuddham advayam ātmānaṃ
bhāvayanti ku-buddhayaḥ |
na tu jānanti saṃmohād
yāvaj-jīvam anirvṛtāḥ || 18.43 ||
Als rein und ohne zweiten stellen sich die unverständigen den Ātman vor, und doch erkennen sie ihn wegen ihrer Verwirrung nicht und bleiben solange sie leben unglücklich.
mumukṣor buddhir ālambam
antareṇa na vidyate |
nirālambaiva niṣkāmā
buddhir muktasya sarvadā || 18.44 ||
Die Einsicht des nach Befreiung Strebenden ist nicht frei davon, sich an etwas festzuhalten. Doch die Einsicht des Befreiten ist wunschlos und hält sich nirgends an etwas fest.
viṣaya-dvīpino vīkṣya
cakitāḥ śaraṇārthinaḥ |
viśanti jhaṭiti kroḍaṃ
nirodhaikāgrya-siddhaye || 18.45 ||
Die Erschrockenen nehmen sogleich Zuflucht in eine Höhle, nachdem sie den Tiger der Sinnesobjekte erblickt haben, um dort Geistesbeherrschung und Einpunktgerichtetheit zu erreichen.
nirvāsanaṃ hariṃ dṛṣṭvā
tūṣṇīṃ viṣaya-dantinaḥ |
palāyante na śaktās te
sevante kṛta-cāṭavaḥ || 18.46 ||
Wenn aber die Elefanten der Sinnesobjekte den begierdefreien Löwen erblickt haben, fliehen sie still fort oder, wenn sie es nicht können, dienen sie ihm mit Gefälligkeiten.
na mukti-kārikāṃ dhatte
niḥśaṅko yukta-mānasaḥ |
paśyañ chṛṇvan spṛśañ jighrann
aśnann āste yathā-sukham || 18.47 ||
Nicht unterzieht sich der furchtlose, dessen Geist aufmerksam ist, befreiungsbewirkenden Übungen. Sehend, hörend, tastend, riechend, schmeckend lebt er nach Lust und Laune.
vastu-śravaṇa-mātreṇa
śuddha-buddhir nirākulaḥ |
naivācāram-anācāram
audāsyaṃ vā prapaśyati || 18.48 ||
yadā yat kartum āyāti
tadā tat-kurute ṛjuḥ |
śubhaṃ vāpy aśubhaṃ vāpi
tasya ceṣṭā hi bālavat || 18.49 ||
yadā yat kartum āyāti tadā tat-kurute ṛjuḥ śubhaṃ vāpy aśubhaṃ vāpi tasya ceṣṭā hi bālavat
svā-tantryāt sukham āpnoti
svā-tantryāl labhate param |
svā-tantryān nirvṛtiṃ gacchet
svā-tantryāt paramaṃ padam || 18.50 ||
akartṛtvam abhoktṛtvaṃ
svātmano manyate yadā |
tadā kṣīṇā bhavanty eva
samastāś citta-vṛttayaḥ || 18.51 ||
akartṛtvam abhoktṛtvam svātmanaḥ manyate yadā tadā kṣīṇā bhavanti eva samastāḥ citta-vṛttayaḥ
ucchṛṅkhalāpy akṛtikā
sthitir dhīrasya rājate |
na tu saspṛha-cittasya
śāntir mūḍhasya kṛtrimā || 18.52 ||
ucchṛṅkhalā api akṛtikā sthitiḥ dhīrasya rājate na tu saspṛha-cittasya śāntiḥ mūḍhasya kṛtrimā
vilasanti mahābhogair
viśanti giri-gahvarān |
nirasta-kalpanā dhīrā
abaddhā mukta-buddhayaḥ || 18.53 ||
śrotriyaṃ devatāṃ tīrtham
aṅganāṃ bhūpatiṃ priyam |
dṛṣṭvā sampūjya dhīrasya
na kāpi hṛdi vāsanā || 18.54 ||
śrotriyam devatām tīrtham aṅganām bhūpatim priyam dṛṣṭvā sampūjya dhīrasya na kāpi hṛdi vāsanā
bhṛtyaiḥ putraiḥ kalatraiś ca
dauhitraiś cāpi gotrajaiḥ |
vihasya dhik-kṛto yogī
na yāti vikṛtiṃ manāk || 18.55 ||
santuṣṭo 'pi na santuṣṭaḥ
khinno 'pi na ca khidyate |
tasyāścarya-daśāṃ tāṃ tāṃ
tādṛśā eva jānate || 18.56 ||
akurvann api saṃkṣobhād
vyagraḥ sarvatra mūḍhadhīḥ |
kurvann api tu kṛtyāni
kuśalo hi nirākulaḥ || 18.58 ||
sukham āste sukhaṃ śete
sukham āyāti yāti ca |
sukhaṃ vakti sukhaṃ bhuṅkte
vyavahāre 'pi śāntadhīḥ || 18.59 ||
svabhāvād yasya naivārtir
lokavad vyavahāriṇaḥ |
mahā-hrada ivākṣobhyo
gata-kleśaḥ suśobhate || 18.60 ||
bhāvanābhāvanā-saktā
dṛṣṭir mūḍhasya sarvadā |
bhāvya-bhāvanayā sā tu
svasthasyādṛṣṭi-rūpiṇī || 18.63 ||
sarvārambheṣu niṣkāmo
yaś cared bālavan muniḥ |
na lepas tasya śuddhasya
kriyamāṇe 'pi karmaṇi || 18.64 ||
sa eva dhanya ātma-jñaḥ
sarva-bhāveṣu yaḥ samaḥ |
paśyan śṛṇvan spṛśan jighrann
aśnan nistarṣa-mānasaḥ || 18.65 ||
kva saṃsāraḥ kva cābhāsaḥ
kva sādhyaṃ kva ca sādhanam |
ākāśasyeva dhīrasya
nirvikalpasya sarvadā || 18.66 ||
sa jayaty artha-saṃnyāsī
pūrṇa-svarasa-vigrahaḥ |
akṛtrimo 'navacchinne
samādhir yasya vartate || 18.67 ||
mahad-ādi jagad-dvaitaṃ
nāma-mātra-vijṛmbhitam |
vihāya śuddha-bodhasya
kiṃ kṛtyam avaśiṣyate || 18.69 ||
mahad-ādi jagad-dvaitam nāma-mātra-vijṛmbhitam vihāya śuddha-bodhasya kim kṛtyam avaśiṣyate
bhrama-bhūtam idaṃ sarvaṃ
kiṃcin nāstīti niścayī |
alakṣya-sphuraṇaḥ śuddhaḥ
svabhāvenaiva śāmyati || 18.70 ||
bhrama-bhūtam idaṃ sarvam kiṃcit nāstīti niścayī alakṣya-sphuraṇaḥ śuddhaḥ svabhāvenaiva śāmyati
śuddha-sphuraṇa-rūpasya
dṛśya-bhāvam apaśyataḥ |
kva vidhiḥ kva ca vairāgyaṃ
kva tyāgaḥ kva śamo 'pi vā || 18.71 ||
sphurato 'nanta-rūpeṇa
prakṛtiṃ ca na paśyataḥ |
kva bandhaḥ kva ca vā mokṣaḥ
kva harṣaḥ kva viṣāditā || 18.72 ||
sphurataḥ ananta-rūpeṇa prakṛtim ca na paśyataḥ kva bandhaḥ kva ca vā mokṣaḥ kva harṣaḥ kva viṣāditā
buddhi-paryanta-saṃsāre
māyā-mātraṃ vivartate |
nirmamo nirahaṅkāro
niṣkāmaḥ śobhate budhaḥ || 18.73 ||
buddhi-paryanta-saṃsāre māyā-mātraṃ vivartate nirmamo nirahaṅkāraḥ niṣkāmaḥ śobhate budhaḥ
akṣayaṃ gata-santāpam
ātmānaṃ paśyato muneḥ |
kva vidyā ca kva vā viśvaṃ
kva deho 'haṃ mameti vā || 18.74 ||
akṣayam gata-santāpam ātmānaṃ paśyataḥ muneḥ kva vidyā ca kva vā viśvam kva dehaḥ aham mameti vā
nirodhādīni karmāṇi
jahāti jaḍadhīr yadi |
mano-rathān pralāpāṃś ca
kartum āpnoty atatkṣaṇāt || 18.75 ||
nirodhādīni karmāṇi jahāti jaḍadhīr yadi mano-rathān pralāpāṃś ca kartum āpnoti atatkṣaṇāt
mandaḥ śrutvāpi tad-vastu
na jahāti vimūḍhatām |
nirvikalpo bahir-yatnād
antar-viṣaya-lālasaḥ || 18.76 ||
mandaḥ śrutvāpi tad-vastu na jahāti vimūḍhatām nirvikalpo bahir-yatnāt antar-viṣaya-lālasaḥ
jñānād galita-karmā yo
loka-dṛṣṭyāpi karma-kṛt |
nāpnoty avasaraṃ kartuṃ
vaktum eva na kiṃcana || 18.77 ||
jñānāt galita-karmā yaḥ loka-dṛṣṭyāpi karma-kṛt na āpnoti avasaraṃ kartum vakxxxtum eva na kiṃcana
kva tamaḥ kva prakāśo vā
hānaṃ kva ca na kiṃcana |
nirvikārasya dhīrasya
nirātaṅkasya sarvadā || 18.78 ||
kva tamaḥ kva prakāśaḥ vā hānam kva ca na kiṃcana nirvikārasya dhīrasya nirātaṅkasya sarvadā
kva dhairyaṃ kva vivekitvaṃ
kva nirātaṅkatāpi vā |
anirvācya-svabhāvasya
niḥsvabhāvasya yoginaḥ || 18.79 ||
kva dhairyam kva vivekitvam kva nirātaṅkatāpi vā anirvācya-svabhāvasya niḥsvabhāvasya yoginaḥ
na svargo naiva narako
jīvan-muktir na caiva hi |
bahunātra kim uktena
yoga-dṛṣṭyā na kiṃcana || 18.80 ||
na svargaḥ naiva narakaḥ jīvan-muktiḥ na ca eva hi bahunātra kim uktena yoga-dṛṣṭyā na kiṃcana
naiva prārthayate lābhaṃ
nālābhenānuśocati |
dhīrasya śītalaṃ cittam
amṛtenaiva pūritam || 18.81 ||
naiva prārthayate lābham nālābhenānuśocati dhīrasya śītalam cittam amṛtenaiva pūritam
na śāntaṃ stauti niṣkāmo
na duṣṭam api nindati |
sama-duḥkha-sukhas tṛptaḥ
kiṃcit kṛtyaṃ na paśyati || 18.82 ||
na śāntaṃ stauti niṣkāmaḥ na duṣṭam api nindati sama-duḥkha-sukhas tṛptaḥ kiṃcit kṛtyaṃ na paśyati
dhīro na dveṣṭi saṃsāram
ātmānaṃ na didṛkṣati |
harṣāmarṣa-vinirmukto
na mṛto na ca jīvati || 18.83 ||
dhīro na dveṣṭi saṃsāram ātmānaṃ na didṛkṣati harṣāmarṣa-vinirmuktaḥ na mṛtaḥ na ca jīvati
niḥsnehaḥ putra-dārādau
niṣkāmo viṣayeṣu ca |
niścintaḥ svaśarīre 'pi
nirāśaḥ śobhate budhaḥ || 18.84 ||
niḥsnehaḥ putra-dārādau niṣkāmaḥ viṣayeṣu ca niścintaḥ svaśarīre api nirāśaḥ śobhate budhaḥ
tuṣṭiḥ sarvatra dhīrasya
yathā-patita-vartinaḥ |
svacchandaṃ carato deśān
yatrāstamita-śāyinaḥ || 18.85 ||
tuṣṭiḥ sarvatra dhīrasya yathā-patita-vartinaḥ svacchandam carataḥ deśān yatrāstamita-śāyinaḥ
patatūdetu vā deho
nāsya cintā mahātmanaḥ |
svabhāva-bhūmi-viśrānti-
vismṛtāśeṣa-saṃsṛteḥ || 18.86 ||
patatūdetu vā dehaḥ nāsya cintā mahātmanaḥ svabhāva- bhūmi- viśrānti- vismṛtāśeṣa- saṃsṛteḥ
akiṃcanaḥ kāma-cāro
nirdvandvaś chinna-saṃśayaḥ |
asaktaḥ sarva-bhāveṣu
kevalo ramate budhaḥ || 18.87 ||
akiṃcanaḥ kāma-cāraḥ nirdvandvaḥ chinna-saṃśayaḥ asaktaḥ sarva-bhāveṣu kevalaḥ ramate budhaḥ
nirmamaḥ śobhate dhīraḥ
sama-loṣṭāśma-kāñcanaḥ |
subhinna-hṛdaya-granthir
vinirdhūta-rajas-tamaḥ || 18.88 ||
nirmamaḥ śobhate dhīraḥ sama-loṣṭāśma-kāñcanaḥ subhinna-hṛdaya-granthiḥ vinirdhūta-rajas-tamaḥ
sarvatrānavadhānasya
na kiṃcid vāsanā hṛdi |
muktātmano vitṛptasya
tulanā kena jāyate || 18.89 ||
sarvatra anavadhānasya na kiṃcit vāsanā hṛdi mukta- ātmanaḥ vitṛptasya tulanā kena jāyate
jānann api na jānāti
paśyann api na paśyati |
bruvann api na ca brūte
ko 'nyo nirvāsanād ṛte || 18.90 ||
jānann api na jānāti paśyan api na paśyati bruvann api na ca brūte ko anyo nir- vāsanāt ṛte
bhikṣur vā bhūpatir vāpi
yo niṣkāmaḥ sa śobhate |
bhāveṣu galitā yasya
śobhanāśobhanā matiḥ || 18.91 ||
bhikṣuḥ vā bhūpatiḥ vā api yaḥ niṣkāmaḥ saḥ śobhate bhāveṣu galitā yasya śobhana- aśobhanā matiḥ
kva svācchandyaṃ kva saṅkocaḥ
kva vā tattva-viniścayaḥ |
nirvyājārjava-bhūtasya
caritārthasya yoginaḥ || 18.92 ||
kva svācchandyam kva saṅkocaḥ kva vā tattva-viniścayaḥ nirvyājārjava-bhūtasya caritārthasya yoginaḥ
ātma-viśrānti-tṛptena
nirāśena gatārtinā |
antar yad anubhūyeta
tat kathaṃ kasya kathyate || 18.93 ||
ātma-viśrānti-tṛptena nirāśena gatārtinā antar yad anubhūyeta tat katham kasya kathyate
supto 'pi na suṣuptau ca
svapne 'pi śayito na ca |
jāgare 'pi na jāgarti
dhīras tṛptaḥ pade pade || 18.94 ||
suptaḥ api na suṣuptau ca svapne api śayitaḥ na ca jāgare api na jāgarti dhīraḥ tṛptaḥ pade pade
jñaḥ sacinto 'pi niścintaḥ
sendriyo 'pi nirindriyaḥ |
sabuddhir api nirbuddhiḥ
sāhaṅkāro 'nahaṃkṛtiḥ || 18.95 ||
na sukhī na ca vā duḥkhī
na virakto na saṅgavān |
na mumukṣur na vā mukto
na kiṃcin na ca kiṃcana || 18.96 ||
na sukhī na ca vā duḥkhī na viraktaḥ na saṅgavān na mumukṣuḥ na vā muktaḥ na kiṃcit na ca kiṃcana
vikṣepe 'pi na vikṣiptaḥ
samādhau na samādhimān |
jāḍye 'pi na jaḍo dhanyaḥ
pāṇḍitye 'pi na paṇḍitaḥ || 18.97 ||
vikṣepe api na vikṣiptaḥ samādhau na samādhimān jāḍye api na jaḍaḥ dhanyaḥ pāṇḍitye api na paṇḍitaḥ
mukto yathā-sthiti-svasthaḥ
kṛta-kartavya-nirvṛtaḥ |
samaḥ sarvatra vaitṛṣṇyān
na smaraty akṛtaṃ kṛtam || 18.98 ||
na prīyate vandyamāno
nindyamāno na kupyati |
naivodvijati maraṇe
jīvane nābhinandati || 18.99 ||
na prīyate vandyamānaḥ nindyamānaḥ na kupyati na eva udvijati maraṇe jīvane na abhi-nandati
na dhāvati janākīrṇaṃ
nāraṇyam upaśānta-dhīḥ |
yathā-tathā yatra-tatra
sama evāvatiṣṭhate || 18.100 ||
na dhāvati janākīrṇam nāraṇyam upaśānta-dhīḥ yathā-tathā yatra-tatra sama evāvatiṣṭhate
śiṣya uvāca |
tattva-vijñāna-sandaṃśam
ādāya hṛdayodarāt |
nānā-vidha-parāmarśa-
śalyoddhāraḥ kṛto mayā || 19.1 ||
va dharmaḥ kva ca vā kāmaḥ
kva cārthaḥ kva vivekitā |
kva dvaitaṃ kva ca vādvaitaṃ
svamahimni sthitasya me || 19.2 ||
kva bhūtaṃ kva bhaviṣyad vā
vartamānam api kva vā |
kva deśaḥ kva ca vā nityaṃ
svamahimni sthitasya me || 19.3 ||
kva cātmā kva ca vānātmā
kva śubhaṃ kvāsubhaṃ yathā |
kva cintā kva ca vācintā
svamahimni sthitasya me || 19.4 ||
kva svapnaḥ kva suṣuptir vā
kva ca jāgaraṇaṃ tathā |
kva turiyaṃ bhayaṃ vāpi
svamahimni sthitasya me || 19.5 ||
kva dūraṃ kva samīpaṃ vā
bahyaṃ kvābhyantaraṃ kva vā |
kva sthūlaṃ kva ca vā sūkṣmaṃ
svamahimni sthitasya me || 19.6 ||
kva mṛtyur-jīvitaṃ vā kva
lokāḥ kvāsya kva laukikam |
kva layaḥ kva samādhir vā
svamahimni sthitasya me || 19.7 ||
alaṃ tri-varga-kathayā
yogasya kathayāpy alam |
alaṃ vijñāna-kathayā
viśrāntasya mamātmani || 19.8 ||
gurur uvāca |
kva bhūtāni kva deho vā
kvendriyāṇi kva vā manaḥ |
kva śūnyaṃ kva ca nairāśyaṃ
mat-svarūpe nirañjane || 20.1 ||
kva śāstraṃ kvātma-vijñānaṃ
kva vā nirviṣayaṃ manaḥ |
kva tṛptiḥ kva vitṛṣṇatvaṃ
gata-dvandvasya me sadā || 20.2 ||
kva vidyā kva ca vāvidyā
kvāhaṃ kvedaṃ mama kva vā |
kva bandhaḥ kva ca vā mokṣaḥ
svarūpasya kva rūpitā || 20.3 ||
kva prārabdhāni karmāṇi
jīvan-muktir api kva vā |
kva tad videha-kaivalyaṃ
nirviśeṣasya sarvadā || 20.4 ||
kva kartā kva ca vā bhoktā
niṣkriyaṃ sphuraṇaṃ kva vā |
kvāparokṣaṃ phalaṃ vā kva
niḥsvabhāvasya me sadā || 20.5 ||
kva lokaḥ kva mumukṣur vā
kva yogī jñānavān kva vā |
kva baddhaḥ kva ca vā muktaḥ
sva-svarūpe 'ham advaye || 20.6 ||
kva sṛṣṭiḥ kva ca saṃhāraḥ
kva sādhyaṃ kva ca sādhanam |
kva sādhakaḥ kva siddhir vā
svasvarūpe 'ham advaye || 20.7 ||
kva pramātā pramāṇaṃ vā
kva prameyaṃ kva ca pramā |
kva kiṃcit kva na kiṃcid vā
sarvadā vimalasya me || 20.8 ||
kva vikṣepaḥ kva caikagryaṃ
kva nirbodhaḥ kva mūḍhatā |
kva harṣaḥ kva viṣādo vā
sarvadā niṣkriyasya me || 20.9 ||
kva caiṣa vyavahāro vā
kva ca sā paramārthatā |
kva sukhaṃ kva ca vā dukhaṃ
nirvimarśasya me sadā || 20.10 ||
kva māyā kva ca saṃsāraḥ
kva prītir viratiḥ kva vā |
kva jīvaḥ kva ca tad-brahma
sarvadā vimalasya me || 20.11 ||
kva pravṛttir nirvṛttir vā
kva muktiḥ kva ca bandhanam |
kūṭastha-nirvibhāgasya
svasthasya mama sarvadā || 20.12 ||
kvopadeśaḥ kva vā śāstraṃ
kva śiṣyaḥ kva ca vā guruḥ |
kva cāsti puruṣārtho vā
nirupādheḥ śivasya me || 20.13 ||
kva cāsti kva ca vā nāsti
kvāsti caikaṃ kva ca dvayam |
bahunātra kim uktena
kiṃcin nottiṣṭhate mama || 20.14 ||