नारदभक्तिसूत्राणि

nārada-bhakti-sūtrāṇi

Die Bhakti-Sūtras des Nārada

Frank Nārada Ziesing

Einleitung

Nārada ist der Name eines sagenumwobenen Weisen. Die Bedeutung des Namens ist unklar. Nārada gilt als ewig befreiter (nitya-siddha) Rishi. Er wird als geistgeborener Sohn Brahmās beschrieben, als Botschafter und Begleiter der Götter, als Sänger und Erfinder des Saiteninstruments Vīṇā. In indischen Geschichten erscheint er regelmäßig auf der Erde und steht den Menschen mit spirituellem Rat zur Seite.

Wann der vorliegende Text entstand und wer sein Autor war, ist unbekannt. Es entspricht jedoch der indischen Tradition, Lehrtexte in den Mund berühmter Persönlichkeiten zu legen, um diese Lehren bekannt zu machen.

Die Nārada-Bhakti-Sūtras gelten als Autorität und Standardtext des Bhakti-Yoga. Śrī Rāmakrishna sagte dazu: "Der beste Weg für diese Zeit ist Bhakti-Yoga, der Weg der Hingabe wie von Nārada gelehrt" (Gospel of Sri Ramakrishna, 15.6.1884).

athāto bhaktiṃ vyākhyāsyāmaḥ || 1 ||

Jetzt also werden wir Bhakti ausführlich besprechen.

atha nun atas also,von hier an bhaktim f sg akk Hingabe vyākhyāsyāmaḥ 1 pl fut wir werden ausführlich besprechen

sā tv asmin parama-prema-rūpā || 2 ||

Sie [ist] nämlich vom Wesen der höchsten Liebe zu Diesem …

f sg nom sie tu nun, aber asmin lok sg m in diesem, in ihm parama- höchste prema- Liebe rūpā adj nom sg f vom Wesen

amṛta-svarūpā ca || 3 ||

… und unvergängliche Glückseligkeit ist ihr innewohnendes Wesen.

a-mṛta- unvergängliche Glückseligkeit svarūpā nom f sg Eigenwesen ca und

yal-labdhvā pumān siddho bhavati amṛto bhavati tṛpto bhavati || 4 ||

Hat ein Mensch sie gefunden, kommt er an seinem Ziel an, wird unsterblich, wird zufrieden.

yat- das labdhvā absol gefunden habend pumān nom sg m ein/der Mensch siddhaḥ ppp nom sg m vollendet, das höchste Ziel erreicht bhavati 3 sg präs wird, ist a-mṛtaḥ unsterblich bhavati wird tṛptaḥ ppp nom sg m zufrieden bhavati wird

yat-prāpya na kiṃcid vāñchati na śocati na dveṣṭi na ramate notsāhī bhavati || 5 ||

Hat er sie erlangt, begehrt er nichts mehr, trauert über nichts mehr, lehnt nichts ab, erfreut sich an nichts, will keine Macht mehr ausüben.

yat- das prāpya absol erlangt habend na kiṃ cid nichts was auch immer vāñchati 3 sg präs akt begehrt,wünscht na nicht śocati 3 sg präs (be)trauert, beklagt na nicht dveṣṭi 3 sg präs lehnt ab na nicht ramate 3 sp präs sich erfreut an etw na nicht utsāhī nom sg m mächtig sein, Willenskraft ausüben bhavati 3 sg präs wird

yaj-jñātvā matto bhavati stabdho bhavati ātmārāmo bhavati || 6 ||

Hat er das erkannt, wird er berauscht, regungslos, das Glück in sich selbst findend.

yaj- das jñātvā absol erkannt habend mattaḥ ppp freudig erregt bhavati 3 sg präs wird stabdhaḥ ppp nom sg m erstarrt, regungslos bhavati 3 sg präs wird ātma- selbst ā-rāmaḥ nom sg m Lust bhavati 3 sg präs wird

sā na kāmayamānā nirodha-rūpatvāt || 7 ||

Diese [Bhakti] ist nicht verlangend, weil ihr Wesen Verstillung ist.

sie na nicht kāmayamānā part präs pass f nom sg ein Verlangen habend nirodha- Verstillung rūpatvāt abl sg n weil von der Form, Natur

nirodhas tu loka-veda-vyāpāra-nyāsaḥ || 8 ||

Die Verstillung nämlich ist das Loslassen weltlicher und religiöser Bemühungen.

nirodhaḥ nom m sg die Verstillung tu aber, nämlich loka- die Welt, weltlich veda- der Veda, vedische Rituale vyāpāra- Bemühung, Beschäftigung nyāsaḥ nom m sg das Loslassen

tasminn an-anyatā tad-virodhiṣūdāsīnatā ca || 9 ||

In diesem [Loslassen] ist man mit nichts anderem beschäftigt [als mit Bhakti], und unbeteiligt gegenüber dem, was sie stört.

tasmin lok sg m in dieser an-anyatā nom sg f das mit nichts anderem beschäftigt sein tad- das virodhiṣu lok pl m bei störenden ud-āsīnatā nom f sg Unbeteiligtsein ca und

anyāśrayāṇāṃ tyāgo 'nanyatā || 10 ||

Das mit nichts anderem beschäftigt sein [bedeutet] das Loslassen des sich Anlehnen an anderes.

anya- anderes āśrayāṇāṃ gen pl m des Anlehnens tyāgaḥ nom m sg Loslassen ananyatā nom sg f das mit nichts anderem beschäftigt sein

loka-vedeṣu tad-anukūlācaraṇaṃ tad-virodhiṣūdāsīnatā || 11 ||

Unbeteiligt sein gegenüber dem, was sie stört, [bedeutet] sich in weltlicher und religiöser Hinsicht so zu verhalten, das es förderlich für sie ist.

loka- Welt vedeṣu lok pl m im Veda, in Relilgion tad- für sie anukūla- günstig ācaraṇaṃ nom sg n Verhalten tad- ihr gegenüber virodhiṣu lok pl m im störenden ud-āsīnatā nom f sg Gleichgültigkeit

bhavatu niścaya-dārḍhyād ūrdhvaṃ śāstra-rakṣaṇam || 12 ||

Nach Festigung seiner Überzeugung sollte man die heiligen Lehren weiterhin achten.

bhavatu 3 sg imperativ man sollte niścaya- Überzeugung dārḍhyād abl sg m nach der Festigkeit ūrdhvaṃ adv in der Folge, weiterhin, nach śāstra- heilige Lehren rakṣaṇam nom n sg das Schützen, Bewahren

anyathā pātitya-śaṅkayā || 13 ||

Andernfalls [besteht] das Risiko des Fallens.

anyathā adv andernfalls pātitya- Verlust der Stellung śaṅkayā inst f sg mit Bedenken, durch Argwohn, Furcht

loko 'pi tāvad eva bhojanādi-vyāpāras tv ā-śarīra-dhāraṇāvadhi || 14 ||

Auch Weltliches [ist] in entsprechendem Maß [zu achten], und Aktivitäten wie Essen usw. [bleiben] solange der Körper aufrecht erhalten wird.

lokaḥ nom sg m die Welt, Gesellschaft api adv auch tāvat so viel, in solcher Menge eva wahrlich bhojana- Essen ādi- usw. vyāpāraḥ Aktivität tu doch, nun, und ā- von bis śarīra- Körper dhāraṇa- haltend, tragend avadhi adv bis zum

tal-lakṣaṇāni vācyante nānā-mata-bhedāt || 15 ||

Auf Grund von allerlei Meinungsverschiedenheiten mögen die Merkmale [von Bhakti] zu Wort kommen.

tat- deren [bezieht sich auf Bhakti] lakṣaṇāni nom pl n Merkmale vācyante 3pl präs pass kaus sie werden zum Sprechen veranlasst nānā- mannigfaltig, verschieden mata- Ansichten bhedāt abl sg m wegen des Auseinanderklaffens

pūjādiṣv anurāga iti pārāśaryaḥ || 16 ||

Laut Vyāsa geht es um Zuneigung zu Pūjās und dergleichen.

pūjā- Verehrungsritual ādiṣu lok pl m und dergleichen anurāgaḥ Zuneigung iti so sagend, laut, das bedeutet pārāśaryaḥ Sohn des Parāśara, Vyāsa

kathādiṣv iti gargaḥ || 17 ||

Laut Garga geht es um [spirituelle] Gespräche und dergleichen.

kathā- Unterhaltung, Erzählung ādiṣu lok pl m und dergleichen iti das bedeutet gargaḥ der Rishi Garga Bhāradvāja

ātma-raty-avirodheneti śāṇḍilyaḥ || 18 ||

Laut Śāṇḍilya geht es um das, was dem Wohlgefallen an sich selbst nicht im Wege steht.

ātma- Selbst rati- Gefallen, Lust ātma-rati Wohlgefallen an sich selbst a-virodhena inst m sg mit keinem Widerspruch iti das bedeutet śāṇḍilyaḥ ein Autor von Merksätzen über Bhakti

nāradas tu tad-arpitākhilācāratā tad-vismaraṇe parama-vyākulateti || 19 ||

Laut Nārada jedoch geht es darum, alle Handlungen lückenlos Ihm hinzugeben, und beim Vergessen von Ihm völlig bestürzt zu werden.

nāradaḥ nom sg m Nārada tu aber tad- dem, ihm arpita- ppp kaus dargeboten a-khila- lückenlos, vollständig ā-cāratā ppräs inst sg m mit dem Handeln tat- dessen, ihm vismaraṇe lok n sg bei dem Vergessen parama- hochste vyākulatā Bestürzung, Aufregung, das außer sich geraten iti das bedeutet

asty evam evam || 20 ||

Das gibt es hier und da.

asti 3 sg präs es ist, es gibt evam so, auf diese Weise evam so, auf diese Weise

yathā vraja-gopikānām || 21 ||

Wie bei den Hirtenmädchen von Vraja.

yathā gleichwie vraja- Name einer Gegend gopikānām gen f pl von den Hirtenmädchen

tatrāpi na māhātmya-jñāna-vismṛty-apavādaḥ || 22 ||

In diesem Fall gilt die Kritik nicht, dass sie das Bewusstsein [von Krishnas] Göttlichkeit vergessen hätten.

tatra dort, in diesem Fall api ferner, dazu, auch na nicht māhātmya- Majestät, Göttlichkeit jñāna- Wissen, Bewusstsein von etw vismṛti nom df sg das Vergessen apa-vādaḥ nom m sg Tadel, Kritik

tad-vihīnaṃ jārāṇām iva || 23 ||

Ohne dieses [Bewusstsein wäre es] wie bei bei weltlichen untreuen Ehefrauen.

tat das vihīnaṃ nom n sg abwesend jārāṇām gen f/m pl von weltlichen untreuen Ehefrauen iva gleichwie, sozusagen, etwa

nāsty eva tasmin tat-sukha-sukhitvam || 24 ||

In dieser [weltlichen Liebe] gibt es nicht das Gefühl glücklich zu sein aufgrund des Glücks des [geliebten Partners].

na nicht asti 3 sg präs es ist eva wahrlich tasmin lok sg m/n bei dem tat- deren, dessen sukha- Glück sukhitvam nom n sg Glücklichsein

sā tu karma-jñāna-yogebhyo 'py adhikatarā || 25 ||

Diese [Bhakti] nun steht sogar höher als religiöse Zeremonien, Erkenntnis und Yoga.

sie tu aber, nun karma- vollziehen religiöser Zeremonien jñāna- Erkenntnis-Yoga yogebhyaḥ abl pl m als Yoga api sogar adhika-tarā nom f sg steht höher

phala-rūpatvāt || 26 ||

Denn ihr Wesen ist ihr Lohn.

phala- Frucht, Resultat, Lohn rūpatvāt abl sg n durch das Wesen, durch die Form

Die genannten spirituellen Wege zielen auf ein bestimmtes Ergebnis ab, bei Bhakti ist das Ziel Bhakti.

īśvarasyāpy abhimāna-dveṣitvāt dainya-priyatvāt ca || 27 ||

Auch wegen Gottes Missfallen von Hochmut und seiner Zuneigung zum Zustand innerer Bedrängnis.

īśvarasya gen sg m Gottes api auch abhimāna- Hochmut dveṣitvāt abl sg n durch Abneigung dainya- Bedrängnis, erbärmliche Lage priyatvāt abl n sg durch das Liebhaben von ca und

tasyāḥ jñānam eva sādhanam ity eke || 28 ||

Laut einigen ist für [Bhakti] vor allem Jñāna das Mittel zum Erfolg.

tasyāḥ gen f sg für sie, ihr jñānam nom n sg Erkenntnis eva in der Tat, gerade sādhanam nom n sg Mittel zum Erfolg iti also, laut eke nom pl m einige

Nach dieser Meinung entsteht also Bhakti aus Jñāna.

anyonyāśrayatvam ity anye || 29 ||

Laut anderen ist eines vom anderen abhängig.

anyaḥ-anya-āśrayatvam nom n sg eines vom anderen abhängig iti also, laut anye nom pl m andere

Nach dieser Meinung fördern sich also Bhakti und Jñāna gegenseitig.

svayaṃ phalarūpateti brahmakumāraḥ || 30 ||

Laut Nārada ist das Wesen [von Bhakti] aus eigenem Antrieb seine eigene Frucht.

svayam indekl von selbst, aus eigenem Antreib phala- Frucht rūpatā nom f sg Wesen, Natur, charakteristisches Zeichen iti also, laut brahma-kumāraḥ nom m sg Brahmās Sohn = Nārada

Nach dieser Meinung ist Bhakti ihr eigenes Mittel zum Erfolg. Ein anderes Mittel ist nicht nötig.

rājagṛha-bhojanādiṣu tathaiva dṛṣṭatvāt || 31 ||

[Bei anderen Wegen hingegen] ist es vergleichbar wie durch das Betrachten eines Palasts oder einer Mahlzeit usw. …

rājagṛha- Palast, Haus des Königs bhojana- Mahlzeit, Essen ādiṣu lok pl m angefangen mit, usw. tathā vergleichbar wie eva wahrlich dṛṣṭatvāt abl sg n durch das Gesehen werden

na tena rāja-paritoṣaḥ kṣuc-chāntir vā || 32 ||

… keine königliche Zufriedenheit oder das Nachlassen von Hunger [entsteht].

na nicht tena inst sg n davon rāja- König paritoṣaḥ nom m sg Zufreidenheit, Befriedigung kṣudh- Hunger śāntiḥ nom f sg das Nachlassen oder

Das Betrachten eines Palastes reicht nicht aus für königliche Zufriedenheit, man benötigt dafür andere Mittel zum Erfolg, ebenso beim Betrachten einer Mahlzeit. Bei Bhakti hingegen benötigt man kein anderes Mittel zum Erfolg.

tasmāt saiva grāhyā mumukṣubhiḥ || 33 ||

Deshalb ist vor allem sie (=Bhakti) von den Befreiungssuchern zu ergreifen.

tasmāt abl sg n deshalb nom f sg sie eva in der Tat grāhyā nom f sg die zu ergreifende mumukṣubhiḥ inst pl m von den Befreiungssuchern

tasyāḥ sādhanāni gāyanty ācāryāḥ || 34 ||

Die Lehrer besingen das Hervorbringen von ihr.

tasyāḥ gen f sg ihre, für sie [bezieht sich auf Bhakti] sādhanāni mon n pl das Hervorbringen gāyanti 3 pl präs besingen ācāryāḥ pl nom m die Lehrer

tat tu viṣaya-tyāgāt saṅga-tyāgāt ca || 35 ||

Das nun [wird erreicht] durch Verlassen des sinnlichen Bereichs und der Beschäftigung damit …

tat das tu aber, nun viṣaya- Sinnesobjekte tyāgāt abl nom m durch das Verlassen saṅga- Anhänglichkeit, Lust tyāgāt abl nom m durch das Verlassen ca und

avyāvṛtta-bhajanāt || 36 ||

… [und] durch gleichzeitige Verehrung.

a-vi-ā-vṛtta- gleichzeitig bhajanāt abl n nom durch Verehrung

loke 'pi bhagavad-guṇa-śravaṇa-kīrtanāt || 37 ||

Hier auf Erden zudem durch Hören und Reden von den Eigenschaften Gottes.

loke lok nom sg hier auf Erden api auch bhagavad- Gott, der Erhabene guṇa- Eigenschaft śravaṇa- das Hören kīrtanāt nom n sg durch Reden über

mukhyatas tu mahat-kṛpayaiva bhagavat-kṛpā-leśād vā || 38 ||

Hauptsächlich aber durch die Gnade einer großen [Seele] oder durch ein Tröpfchen von Gottes Gnade.

mukhyataḥ adv hauptsächlich tu aber mahat- ein Großer kṛpayā inst f sg durch die Gnade eva wahrlich bhagavat- Gott, der Herrliche kṛpā- Gnade leśāt abl m sg durch ein Tröpfchen oder

mahat-saṅgas tu dur-labho 'gamyo 'moghaś ca || 39 ||

Umgang mit einer großen [Seele] ist allerdings schwer zu erlangen, unverständlich [wie es abläuft], aber dennoch unfehlbar.

mahat- ein Großer saṅgaḥ nom m sg Umgang mit tu aber dur-labhaḥ nom m sg schwer zu erlangen a-gamyaḥ nom m sg unverständlich a-moghaḥ nom m sg unfehlbar ca und, aber, dennoch

labhyate 'pi tat-kṛpayaiva || 40 ||

[Der] wird auch erlangt durch seine (=Gottes) Gnade, …

labhyate 3 sg pass präs wird erlangt api auch tat- dessen, seine kṛpayā inst f sg durch Gnade eva wahrlich

tasmiṃs taj-jane bhedābhāvāt || 41 ||

… wegen der Abwesenheit von Trennung zwischen ihm und den ihm am nächsten stehenden Personen.

tasmin lok m sg bei ihm tat-jane lok sg m bei der jemandem im Augenblick zunächst stehenden Person(en) bheda- Trennung a-bhāvāt abl m sg durch Fehlen, durch Abwesenhait

tad eva sādhyatāṃ tad eva sādhyatām || 42 ||

Nur das gilt es für sich zu gewinnen, nur das.

tat nom n sg das eva nur sādhyatām akk f sg das für sich zu gewinnende tat nom n sg das eva nur sādhyatām akk f sg das zu Gewinnende, das zu Wege zu bringende

duḥsaṅgaḥ sarvathaiva tyājyaḥ || 43 ||

Schlechter Umgang ist auf jedem Fall aufzugeben.

duḥsaṅgaḥ nom m sg schlechter Umgang sarvathā in allen Fällen eva in der Tat tyājyaḥ nom m sg aufzugeben

kāma-krodha-moha-smṛtibhraṃśa-buddhināśa-kāraṇatvāt || 44 ||

Denn er bewirkt Verlust von Urteilskraft, Verwirrung der Erinnerung, Verblendung, Wut und Verlangen.

kāma- Wunsch, Verlangen krodha- Zorn, Wut, Ärger moha- Verblendung smṛti- Erinnerung an bhraṃśa- Verlust, Verfall buddhi- Einsicht nāśa- Verlust kāraṇatvāt abl n sg durch das Bewirken von

taraṃgāyitā apīme saṅgāt samudrāyante || 45 ||

Auch wenn sie nur Wellen machen, werden sie durch diesen Umgang wie ein Meer.

taraṃgāyitāḥ ppp kaus pl m nom Wellen gemachte api auch nur ime nom m pl diese saṅgāt abl m sg durch den Umgang samudrāyante 3 pl kaus präs wie ein Meer werden

kas tarati kas tarati māyāṃ yaḥ saṅgaṃ tyajati yo mahānubhāvaṃ sevate nir-mamo bhavati || 46 ||

Wer überwindet, wer überwindet diese Māyā? Derjenige, der Anhaftung verwirft, der einer Seele von großer Macht nahe steht, der ohne Mein-Gefühl ist, …

kaḥ nom m sg wer? tarati 3 sg präs überwindet kaḥ nom m sg wer? tarati 3 sg präs überwindet māyām akk sg f die Māyā yaḥ nom m sg jener welcher saṅgaṃ akk sg n Anhaftung tyajati 3 sg präs verwirft yaḥ nom m sg jener welcher mahā-anubhāvaṃ akk m sg von großer Macht sevate 3 sg ātm präs dient, sich in der Nähe aufhält nir-mamaḥ nom sg m ohne Mein-Gefühl bhavati 3 sg präs wird, da ist

yo vivikta-sthānaṃ sevate yo loka-bandham unmūlayati nis-trai-guṇyo bhavati yoga-kṣemaṃ tyajati || 47 ||

… der sich in Abgeschiedenheit aufhält, der die Wurzeln weltlicher Fesseln herausreißt, der nicht [unter der Kontrolle] der drei Guṇas lebt, der das Streben nach materiellem Wohlstand loslässt, …

yaḥ nom sg m jener welcher vivikta- abgesondert sthānaṃ akk sg n das Stehen sevate e sg ātm präs sich aufhält √sev yaḥ nom sg m jener welcher loka- die Welt, weltlichkeit bandham akk sg m die Fesseln unmūlayati 3 sg präs reißt die Wurzel heraus nis-trai-guṇyaḥ nom sg m frei von den 3 guṇas bhavati 3 sg präs wird, da ist yoga-kṣemaṃ akk sg m Streben nach materiellem Wohlstand tyajati e sg präs lässt los

Die Bhagavadgītā beschreibt den Zustand jenseits der drei Guṇas:

Klare Sicht (sattva) oder Aktivität (rajas) oder Verblendung (tamas) lehnt er weder ab noch wünscht er deren Erscheinen oder Verschwinden. BhG 14:22

yaḥ karma-phalaṃ tyajati karmāṇi saṃnyasyati tato nir-dvaṃdvo bhavati || 48 ||

… der die Handlungsfrüchte loslässt und religiöse Zeremonien verwirft, der wird daraufhin frei von den Gegensatzpaaren.

yaḥ nom m sg jener, welcher karma-phalaṃ nom n sg Handlungsfrucht tyajati e sg präs lässt los karmāṇi akk pl n Opferhandlungen saṃnyasyati 3 sg präs verwirft tatas daraufhin, dann nir-dvaṃdvah nom sg m jenseits der Gegensatzpaare bhavati 3 sg präs ist

yo vedān api saṃnyasyati kevalam avicchinnānurāgaṃ labhate || 49 ||

Wer auch noch die vedischen Riten aufgibt, der allein erlangt ununterbrochene Liebe.

yaḥ nom m sg jener welcher vedān akk pl m die Veden, die vedischen Rituale api auch saṃnyasyati 3 sg präs aufgibt kevalam einzig a-vicchinna- ununterbrochen anurāgaṃ akk sg m Liebe labhate 3 sg präs ātm erlangt

sa tarati sa tarati sa lokāṃs tārayati || 50 ||

Der überwindet, der überwindet [diese Māyā], der führt die Menschen hinüber.

saḥ nom m sg der tarati 3 sg präs überwindet saḥ nom m sg der tarati 3 sg präs überwindet saḥ nom m sg der lokān akk pl m die Menschen tārayati 3 sg kaus präs führt hinüber

a-nirvacanīyaṃ prema-svarūpam || 51 ||

Das Eigenwesen der reinen Liebe ist nicht in Worte zu fassen.

a-nirvacanīyam nicht in Worte zu fassen prema- reine Liebe sva-rūpam nom n sg typische Eigenschaft, Eigenwesen

mūkāsvādanavat || 52 ||

Wie der Essensgenuss eines Stummen.

mūka- stumm, ein Stummer āsvādana-vat wie der Essensgenuss

Wenn ein Stummer Essen genießt, ist er nicht fähig, das sprachlich auszudrücken.

prakāśate kvāpi pātre || 53 ||

Bisweilen offenbart sie sich in einem passenden Gefäß.

prakāśate 3 sg ātm präs wird sichbar/offenbar, zeigt sich kvāpi irgendwo, bisweilen pātre lok m sg in einem passenden Gefäß

Mit "passendem Gefäß" ist eine geeignete Person gemeint.

guṇa-rahitaṃ kāmanā-rahitaṃ pratikṣaṇa-vardhamānaṃ avicchinnaṃ sūkṣmataraṃ anubhava-rūpam || 54 ||

[Sie ist] frei von den Guṇas, frei von Verlangen, mit jedem Augenblick wachsend, ununterbrochen, hochsubtil, von der Natur innerer Erfahrung.

guṇa- Eigenschaft rahitam ppp nom sg n frei von kāmanā- Wunsch, Verlangen rahitam ppp nom sg n frei von pratikṣaṇa- mit jedem Augenblick, beständig vardhamānam ppräs ātm nom n sg wachsend avicchinnam nom n sg ununterbrochen sūkṣmataram komparativ nom n sg besonders subtil, subtiler anubhava- Empfindung, Gefühl rūpam nom n sg Natur, Wesen, Gestalt

tat-prāpya tad-evāvalokati tad-eva śṛṇoti tad-eva bhāṣayati tad-eva cintayati || 55 ||

Nachdem man sie erlangt hat, betrachtet man nur noch sie, hört nur noch sie, spricht nur noch über sie, denkt nur noch an sie.

tat- das [bezieht sich auf preman] prāpya absolutiv erlangt habend tat akk n sg das eva wahrlich ava-lokati e sg präs betrachtet tat akk n sg das eva wahrlich śṛṇoti 3 sg präs hört tat akk n sg das eva wahrlich bhāṣayati 3 sg kaus präs beredet tat akk n sg das eva wahrlich cintayati 3 sg präs denkt an

gauṇī tridhā guṇa-bhedād ārtādibhedād vā || 56 ||

Die weniger ausgeprägte [Liebe] fällt in drei Kategorien, je nach Guṇa [des Strebenden] oder je nach [Motivation wie] Leid usw.

gauṇī nom f sg die untergeordnete tridhā adv in dreifacher Weise guṇa-bhedāt abl m sg durch die Guṅa-Unterschiede ārta- leidend ādi- beginnend mit bhedāt abl sg m durch die Unterschiede oder

Bisher ging es um die höchste Hingabe, jetzt wird die Hingabe des Anfängers besprochen.

Diese kann in drei Gruppen eingeteilt werden, nach Persönlichkeit und Motivation:

  • die sattvischen Anfänger suchen Befreiung von Leid (ārta)
  • die rajasischen Anfänger suchen neue Erkenntnisse (jijñāsu)
  • die tamasischen Anfänger suchen weltlichem Vorteil (arthārthin).

uttarasmād uttarasmāt pūrva-pūrvā śreyāya bhavati || 57 ||

Um [von Liebe] ergriffen zu werden ist die jeweils vorangegangene [Kategorie günstiger] als das jeweils Folgende.

uttarasmāt abl sg n als das folgende uttarasmāt Wortwiederholung bedeutet etwa "jeweils" pūrva- vorangegangen pūrvā nom sg f die vorangegangene śreyāya part fut pass dat sg n um ergriffen zu werden bhavati 3 sg präs ist, wird

Das heißt, der sattvische Wunsch nach Befreiung von Leid ist günstiger als der rajasische Wunsch nach Erkenntnis, was wiederum günstiger ist als der tamasische Wunsch nach weltlichem Vorteil.

anyasmāt saulabhyaṃ bhaktau || 58 ||

Bei Bhakti [ist Liebe] vergleichsweise leicht zu erlangen, …

anyasmāt abl sg n als andere, vergleichsweise saulabhyaṃ nom sg n das leicht zu finden sein bhaktau lok sg f bei Hingabe

pramāṇāntarasyānapekṣatvāt svayaṃ pramāṇatvāt || 59 ||

… da sie ihr eigener Maßstab ist und nicht auf den Maßstab eines anderen achtet …

pramāṇa- Autorität, Maßstab antarasya gen sg m eines anderen an-apekṣatvāt ab sg n weil nicht auf etwas blickend, weil nicht beachtend svayaṃ adv eigen pramāṇatvāt abl sg n durch Maßstab

śānti-rūpāt paramānanda-rūpāc ca || 60 ||

… und von der Natur inneren Friedens und höchster Seligkeit ist.

śānti- innerer Frieden rūpāt abl n sg durch die Natur parama- höchste ānanda- Seligkeit rūpāt abl n sg durch die Natur ca und

loka-hānau cintā na kāryā niveditātma-loka-vedatvāt || 61 ||

Bei weltlichen Defiziten soll man sich keine Sorgen machen, weil [ein Bhakta] sich selbst, seine weltlichen und religiösen Angelegenheiten [dem Göttlichen] dargebracht hat.

loka- Menschen, Gesellschaft, weltliche Angelegenheiten hānau lok f sg bei Unzulänglichkeit cintā nom f sg Sorgen na nicht kāryā nom f sg was bewirkt wird nivedita kaus ppp angekündigt, dargebracht ātma- selbst loka- weltliche Angelegenheiten vedatvāt abl n sg durch das heilige Wissen

na tat-siddhau loka-vyavahāro heyaḥ kiṃtu phala-tyāgaḥ tat-sādhanaṃ ca kāryam eva || 62 ||

Ist das gelungen, braucht das normale Treiben in der Welt nicht aufgegeben zu werden, allerdings soll man [Handlungs-]Früchte loslassen und für [Bhakti] Zielführendes praktizieren.

na nicht tat- dessen siddhau lok sg f bei Gelingen loka- weltliches vyavahāraḥ nom m sg Treiben heyaḥ nom m sg ist aufzugeben kiṃ tu wenn auch phala- Frucht tyāgaḥ nom sg m Loslassen tat- dessen sādhanam nom n sg Mittel zum Erfolg ca und kāryam adv zu tun eva wahrlich

strī-dhana-nāstika-vairi-caritraṃ na śravaṇīyam || 63 ||

Geschichten über Frauen, Reiche, Atheisten und Gegner soll man sich nicht anhören.

strī- Frauen dhana- Vemögen nāstika- Atheisten vairi- Feinde caritram nom sg n Lebenswandel na nicht śravaṇīyam nom sg n zuzuhören

abhimāna-dambhādikaṃ tyājyam || 64 ||

Von Stolz, Heuchelei, usw. soll man sich lossagen.

abhimāna- Hochmut, Stolz dambha- Heuchelei ādikaṃ angefangen mit tyājyam nom sg n aufzugeben

tad-arpitākhilācāraḥ san kāma-krodhābhimānādikaṃ tasminn eva karaṇīyam || 65 ||

Während man seinen Lebenswandel lückenlos ihm hingegeben hat, sollte man Wünsche, Wut, Stolz, usw. auf ihn allein richten.

tad- das, ihm arpita- dargeboten akhila- lückenlos ācāraḥ nom m sg guter Wandel san ppräs nom m sg seiend kāma- Wunsch krodha- Wut, Ärger abhimāna- Stolz ādikaṃ beginnend mit tasmin lok sg m in ihm eva nur, allein karaṇīyam zu tun

tri-rūpa-bhaṅga-pūrvakaṃ nitya-dāsya-nitya-kāntā-bhajanātmakaṃ prema kāryaṃ premaiva kāryam || 66 ||

Liebe und Liebe allein ist zu praktizieren in ewigem Dienst oder als ewige Geliebte nachdem man mit den drei Formen [der Anfänger-Hingabe] gebrochen hat.

tri- drei rūpa- Gestalt, Wesen, Natur bhaṅga- brechend pūrvakam nom n sg vorangegangen nitya- innewohnend,immerwährend dāsya- Dienst, demütiges Abhängigkeitsgefühl nitya- innewohnend, stetig, ununterbrochen kāntā- Geliebte bhajana- Verehrung ātmakam nom n sg das Wesen von etw habend prema nom n sg Liebe kāryam nom n sg ist zu praktizieren prema nom n sg Liebe eva wahrlich kāryam nom n sg ist zu praktizieren

"mit den drei Formen gebrochen habend" bedeutet, dass der Bhakta in diesem Stadium nichts mehr von Gott erbittet, weder Befreiung von Leid, noch Erkenntnis, noch weltliche Vorteile, obwohl er weiß, dass Gott alles für ihn machen würde.

bhaktā ekāntino mukhyāḥ || 67 ||

Bhaktas, die dem Einem ganz hingegeben sind, sind die besten.

bhaktāḥ nom pl m Gottergebene ekātinaḥ nom pl m die ganz in etw aufgehen, nur einem hingegeben mukhyāḥ nom pl m die vornehmsten, besten

kaṇṭhāvarodha-romañcāśrubhiḥ paras-paraṃ lapamānāḥ pāvayanti kulāni pṛthivīṃ ca || 68 ||

Mit zugeschnürten Kehlen, zu Berge stehenden Härchen, unter Tränen, stammelnd miteinander redend, reinigen sie [ihre] Familien und die Erde.

kaṇṭha- Kehle avarodha- Hemmung, Störung, Beeinträchtigung roma- Körperhärchen añca- das sich Sträuben aśrubhiḥ inst pl n mit Tränen paras-param adv gegenseitig lapamānāḥ part präs ātm nom pl m stammelnd reden pāvayanti 3 pl sg kaus präs sie reinigen kulāni akk pl n Familien pṛthivīm akk f sg die Erde ca und

tīrthī-kurvanti tīrthāni su-karmī-kurvanti karmāṇi sac-chāstrī-kurvanti śāstrāṇi || 69 ||

Sie heiligen die Pilgerorte, machen Handlungen segensreich, geben Lehren spirituelle Autorität.

tīrthī-kurvanti 3 pl präs sie heiligen tīrthāni akk pl n die Wallfahrtsorte su-karmī-kurvanti 3 pl präs sie machen zu guten Handlungen karmāṇi akk pl n Handlungen sat-śāstrī-kurvanti 3 pl präs sie machen zu wahren Lehren śāstrāṇi Lehren, Unterweisungen

tan-mayāḥ || 70 ||

[Sie sind] von ihm erfüllt.

tat- von ihm mayāḥ nom pl m erfüllt von

modante pitaro nṛtyanti devatāḥ sa-nāthā ceyaṃ bhūr bhavati || 71 ||

Die Ahnen jubeln, die Götter tanzen und diese Erde hat einen Beschützer bekommen.

modante 3 pl präs sie jubeln zu pitaraḥ nom pl m die Ahnen nṛtyanti 3 pl präs sie tanzen devatāḥ pl f nom die Gottheiten sa-nāthā nom sg f Schutz/einen Beschützer habend ca und iyam nom f sg diese bhūḥ nom f sg Erde bhavati 3 sg präs wird, ist

nāsti teṣu jāti-vidyā-rūpa-kula-dhana-kriyādi-bhedaḥ || 72 ||

Unter ihnen gibt es keine Trennung durch gesellschaftliche Schicht, Gelehrsamkeit, Schönheit, Familie, Besitz, Tätigkeit, usw.

na nicht asti 3 sg präs es ist teṣu lok m pl unter ihnen jāti- Stamm, gesellschaftliche Schicht vidyā- Wissen rūpa- Schönheit kula- Familie dhana- Besitz kriyā- Tätigkeit ādi- als Anfang habend bhedaḥ nom m sg Trennung

yatas tadīyāḥ || 73 ||

Weil [sie] die Seinen sind.

yatas von woher, weil tadīyāḥ nom pl m dem gehörend, von dem kommend

vādo nāvalambyaḥ || 74 ||

Man soll sich nicht an Kontroversen klammern, …

vādaḥ nom sg m Disputation, Kontroverse na nicht avalambyaḥ fut pass part nom sg m sich anzuklammern, festzuhalten

bāhulyāvakāśatvād aniyatatvāc ca || 75 ||

… weil es Platz für [Meinings-]Vielheit [gibt] und weil [es da] keine Endgültigkeit [gibt].

bāhulya- Vielheit ava-kāśatvāt abl n sg durch Platz a-ni-yata-tvāt abl n sg durch keine Festbestimmtheit ca und

bhakti-śāstrāṇi mananīyāni tad-udbodhaka-karmāṇi karaṇīyāni || 76 ||

Man sollte die Lehren zu Bhakti im Geist bewegen, Handlungen, die sie erwecken, möge man tun.

bhakti- Bhakti śāstrāṇi nom pl n Lehren, Lehrtexte mananīyāni fut pass part nom n pl im Geist zu bewegen, zu überdenken tat- das, jenes ud-bodhaka- erweckend karmāṇi nom sg n Handlungen karaṇīyāni fut pass part nom pl n sind zu tun

sukha-duḥkhecchā-lābhādi-tyakte kāle pratīkṣyamāṇe kṣaṇārdham api vyarthaṃ na neyam || 77 ||

Hat man sich von Freude und Leid, Wunsch und Gewinn usw. befreit, sollte angesichts der erwarteten Zeit nicht einmal ein halber Augenblick unnütz zugebracht werden.

sukha- Freude duḥkha- Leid icchā- Wunsch lābha- Gewinn ādi- usw. tyakte ppp lok sg m wenn befreit von, aufgegeben, losgelassen kāle lok sg m angesichts der Zeit pratīkṣyamāṇe ppräs pass lok sg m bei der erwarteten kṣaṇa- Augenblick ardham nom n sg ein halber api sogar vyartham adv auf unnütze Weise na nicht neyam adv zuzubringen

ahiṃsā-satya-śauca-dayāstikyādi-caritrāṇi paripālanīyāni || 78 ||

Verhalten wie Nichtverletzen, Wahrhaftigkeit, Reinheit, Mitgefühl und Glaube sollte man pflegen.

ahiṃsā- Nichtverletzen satya- Wahrheit sprechen śauca- Reinheit dayā- Mitgefühl āstikya- Glaube ādi- usw caritrāṇi nom pl n Verhaltensweisen pari-pālanīyāni nom pl n zu hegen und pflegen

sarvadā sarva-bhāvena niś-cintair bhagavān eva bhajanīyaḥ || 79 ||

Mit ganzem Wesen und frei von Sorgen ist der Herrliche zu allen Zeiten allein zu verehren.

sarvadā allzeit, stets sarva- ganz bhāvena inst m sg mit dem Wesen niś-cintair inst sg m mit Sorglosigkeit bhagavān nom sg m der Herrliche eva wahrlich, nur bhajanīyaḥ fut pass part nom m sg zu verehren

sa kīrtyamānaḥ śīghram evāvir-bhavaty anubhāvayati bhaktān || 80 ||

Wenn gepriesen, erscheint er rasch und lässt es die Bhaktas erfahren.

saḥ nom sg m er kīrtyamānaḥ ppräs pass nom sg m gepriesen werdend śīghram adv schnell eva adv wahrlich āvir-bhavati 3p sg präs wird offenbar, erscheint, tritt vor Augen anu-bhāvayati 3p sg kaus präs lässt jmd etw empfinden, jmd etw erfahren bhaktān akk m pl die Bhaktas, Verehrer

tri-satyasya bhaktir eva garīyasī bhaktir eva garīyasī || 81 ||

Von der dreifachen Wahrheit ist Bhakti in der Tat die wichtigere, Bhakti ist in der Tat die wichtigere.

tri- drei satyasya gen sg n von der Wahrheit bhaktiḥ nom f sg Hingabe eva in der Tat garīyasī nom f sg die wichtigere, wertvollere, ehrwürdigere bhaktiḥ eva garīyasī

Zur dreifachen Wahrheit erklären manche Meister, Gott sei Liebe, Güte und Wahrheit. Der Bhakta erfahre ihn als Liebe, der Karma-Yogī als Güte und der Jñānī als Wahrheit.

guṇamāhātmyāsakti-rūpāsakti-pūjāsakti-smaraṇāsakti-dāsyāsakti-sakhyāsakti-vātsalyāsakti-kāntāsakti-ātmanivedanāsakti-tanmayatāsakti-paramavirahāsakti-rūpā ekadhā api ekādaśadhā bhavati || 82 ||

Obwohl eins, sind die Formen [der Hingabe] elf-fach:

  1. Liebevolles Hängen an der Erhabenheit seiner Eigenschaften,
  2. an seiner Gestalt,
  3. an der Pūjā [für ihn],
  4. an der Erinnerung [an ihn],
  5. am Dienst [für ihn],
  6. an der Kameradschaft [mit ihm],
  7. an der zärtlichen Liebe [zu ihm als göttliches Kind],
  8. daran, seine Geliebte zu sein,
  9. am Darbringen der eigenen Person,
  10. am Ganz-zu-ihm-werden,
  11. am Schmerz der Trennung von ihm.

guṇa- Eigenschaft māhātmyā- Erhabenheit āsakti- liebevolles Hängen an rūpa- Gestalt āsakti- Hängen pūjā- rituelle Verehrung āsakti- Hängen smaraṇa- Erinnerung an āsakti- Hängen dāsya- Gefühl demütiger Abhängigkeit/Dienstbereitschaft āsakti- Hängen sakhya- Freundschaft āsakti- Hängen vātsalya- zärtliche Liebe āsakti- Hängen kāntā- Geliebte āsakti- Hängen ātma-nivedana- Darbietung des eigenen Selbstes āsakti- Hängen tanmayatā- ganz zu ihm zu werden āsakti- Hängen parama- höchstes vir-aha- Schmerz der Trennung (vom Geliebten) āsakti- Hängen rūpāḥ nom pl m Formen ekadhā einfach api sogar ekā-daśa-dhā elffach bhavati 3 sg präs sind, ist

ity evaṃ vadanti jana-jalpa-nirbhayā ekamatāḥ kumāra-vyāsa-śuka-śāṇḍilya-garga-viṣṇu-kauṇḍiṇya-śeṣoddhavāruṇi-bali-hanumad-vibhīṣaṇādayo bhakty-ācāryāḥ || 83 ||

So sagen es einstimmig die Bhakti-Lehrer, wie Sanatkumāra, Vyāsa, Śuka, Śāndilya, Garga, Vishnu, Kaundinya, Śesha, Uddhava, Āruni, Bali, Hanumān, Vibhīshana und andere. Sie kümmern sich nicht um das Getratsche der Leute.

iti also evam auf diese Weise vadanti 3 pl präs sie sagen, erklären jana- Leute jalpa- Tratschen nirbhayāḥ nom pl m die ohne Furcht eka- eins matāḥ pl m nom Meinung kumāra- Sanatkumāra, der ewig Jugendliche, ein Sohn Brahmās vyāsa- Vyāsa, der Zusammensteller von Veden, Mahābharata und Purānas śuka- Śuka, "Papagei", Sohn des Vyāsa, ein großer Yogin und Bhakta śāṇḍilya- Śāndilya, Autor von anderen Bhakti-Sūtras garga- Rishi Garga Bhāradvāja viṣṇu- Vishnu kauṇḍiṇya- Kaundinya, antiker Autor śeṣa Śesha, Riesenschlange auf der Vishnu ruht uddhava- Uddhava, Cousin und Freund Krishnas āruṇi- Uddālaka Āruṇi, der den Vedānta seinem Sohn Śvetaketu erklärt bali- Bali, König der Dämonen, der von Vishnu in der Zwergeninkarnation besiegt wurde hanumad- Hanumān, Minister des Affenkönigs und Verbündeter Rāmas vibhīṣaṇa Vibhīshana, Bruder von Rāvana, übergelaufen zu Rāmas Seite ādayaḥ nom pl m die mit … beginnen, usw bhakti- Bhakti ācāryāḥ nom pl m Lehrer

ya idaṃ nārada-proktaṃ śivānuśāsanaṃ viśvasiti śraddhate sa bhaktimān bhavati saḥ preṣṭhaṃ labhate saḥ preṣṭhaṃ labhate || 84 ||

Wer dieser von Nārada verkündeten segensreichen Unterweisung vertraut und ihr sein Herz gibt, der wird von Bhakti erfüllt, der erlangt den am meisten Geliebten, der erlangt den am meisten Geliebten.

yaḥ nom m sg derjenige welcher idam akk n sg dieser nārada- Nārada pra-uktam ppp akk n sg verkündet śiva- segensreich anuśāsanam akk n sg Unterweisung vi-śvasiti 3 sg präs sorglos vertraut śraddhate 3 sg präs sein Herz gibt saḥ nom sg m der bhaktimān nom m sg von Bhakti erfüllt bhavati 3 sg präs wird saḥ nom m sg der preṣṭham superl (v. priya) akk m sg den Geliebtesten labhate 3 sg ātm präs er erlangt saḥ der preṣṭham den Geliebtesten labhate erlangt